Die Tochter der Wanderhure
Mund erneut Trudis Ohr. »Du musst mir eine Waffe und ein schnelles Pferd besorgen. Sonst werde ich mich noch in zehn Jahren in Friedrichs Gewahrsam befinden.«
»Wenn ich nur wüsste, wie!« Trudi war bereit, Gressingen zu helfen, sah aber keine Möglichkeit, an ein Schwert und ein Streitross zu kommen.
»Es muss dir gelingen, meine Liebste! Oder willst du, dass ich in diesen Mauern sterbe?« Gressingen ergriff erneut Trudis Hände, wagte aber angesichts der misstrauischen Aufpasserin nicht mehr, das Mädchen zu umarmen.
»Ich flehe dich an: Besorge mir, worum ich dich bitte, und alles wird gut werden! Außerdem muss ich mit dem Tagesablauf des Königs vertraut werden, damit ich ihm und dem Schwarm, der um ihn herumschwirrt, aus dem Weg gehen kann. Stell dir vor, ich müsste mich auf der Flucht irgendwo verstecken und würde aus Versehen in die Kapelle treten, wenn Friedrich gerade dort betet – oder gar in sein Schlafgemach geraten!« Gressingen begleitete seine Worte mit einem schmelzenden Lächeln, das ein aufmerksamerer Beobachter als Trudi als unecht erkannt hätte.
Trudi aber nahm nur seinen Blick wahr, der von großer Liebe sprach, und erklärte ihm leise, was sie bereits über den König und seine Gewohnheiten in Erfahrung gebracht hatte. Gressingen hörte ihr aufmerksam zu. Wahrscheinlich, dachte er, ist es das Beste, sich in der Nacht, in der das dumme Luder mir zur Freiheit verhilft, in Friedrichs Schlafkammer zu schleichen und ihn dort zu ermorden.
Gerade in diesem Augenblick berichtete Trudi ihm, dass stets mehrere Bewaffnete und zwei Diener vor Friedrichs Tür standen, wenn er sich in seinem Schlafgemach aufhielt, und so ließ er diesen Gedanken fallen.
Er würde einen anderen Weg finden müssen, den König zu töten, wenn er in Ehren zu Herzog Albrecht von Österreich zurückkehren wollte. Nun betete Gressingen, dass die kleine Metze, die seine Hände umklammerte, als sei er der Rettungsanker in ihrem Leben, gewitzt genug war, ihm weitere Informationen zubeschaffen, und gleichzeitig so einfältig und blind, dass sie nicht merkte, was er plante.
2.
P eter von Eichenloh hatte sich in seinem bisherigen Leben selten so gelangweilt wie im winterlichen Graz. Gewohnt, auf dem Schlachtfeld rasche Entscheidungen zu treffen, war er die Gespräche mit König Friedrich und dessen Vertrauten, in denen jedes Für und Wider stets aufs Neue durchgekaut wurde, bald herzlich leid.
Friedrich machte sich über alles Gedanken, am meisten über seinen Bruder Albrecht, dem er an dem einen Tag Strenge androhte, um am nächsten Tag versöhnlich über ihn zu sprechen. Gleichzeitig belastete ihn die Lage in Böhmen, dessen Reichtümer ihm an allen Ecken und Enden fehlten. Derzeit waren das Gold und all die Güter, die er aus diesem Land hätte ziehen können, so fern für ihn wie die Sterne, und er musste hoffen, dass Georg von Podiebrad ihn nicht im Namen der böhmischen Stände offen bekriegte, weil er ihnen die Herausgabe des kleinen Ladislaus verwehrte. Er wollte seinen Verwandten jedoch selbst erziehen und ihn nicht fremden Menschen überlassen.
Auch richtete der König das Gespräch immer wieder auf die Lage in Ungarn, die von Woche zu Woche kritischer zu werden drohte, und suchte Rat, wie er gegen die Eidgenossen vorgehen sollte, die noch ein Jahrhundert früher treue Untertanen Habsburgs gewesen waren und nun ihr Gebiet Stück für Stück auf Kosten ihrer früheren Herren erweiterten.
Der Unwille, den Friedrich gegen die Eidgenossen hegte, ließ Eichenloh hoffen, der König werde ihn mit seinen Mannen an den Bodensee schicken, um eine der bedrohten Burgen zu sichern. Doch davon wollte Friedrich nichts wissen. Eichenloh warein angenehmer Gesprächspartner, auf den er während der kalten Wintermonate nicht verzichten wollte. Außerdem mochte es sein, dass er den Söldnerführer noch einmal an dieser Stelle brauchte.
Ein paarmal versuchte Eichenloh, die Unterhaltung so zu lenken, dass Trudis Anliegen zur Sprache kam, doch der König wich jedes Mal aus oder gab ihm den Rat, dafür zu sorgen, dass das Mädchen so oft wie möglich in der dem heiligen Martin geweihten Kapelle in der Nähe des oberen Tores betete und um die Unterstützung der Heiligen ansuchte.
Als Eichenloh an diesem Abend in die Kammer zurückkehrte, die er mit Hardwin von Steinsfeld teilte, warf er seinen Mantel, der in den zugigen Korridoren der Burg unabdingbar war, mit einem ärgerlichen Knurren auf sein Bett.
»Herr Friedrich sollte sich
Weitere Kostenlose Bücher