Die Tochter der Wanderhure
ihre Gegenwart suchte und sie daran hinderte, so oft zu ihrem Geliebten zu kommen, wie es ihr gefiel. In den Nächten träumte sie bereits von Eichenloh. Meist sah sie ihn mit dem Schwert in der Hand zwischen ihr und Junker Georg stehen, oder er versuchte, sie mit einem alten, klapprigen Mann zu verheiraten, der die Gesichtszüge von Bonas Ehemann Moritz von Mertelsbach trug.
Das Schicksal ihrer Freundin wollte Trudi niemals teilen. Sie schenkte Gressingen einen liebevollen Blick, denn sie fühlte sich ihm nun doppelt verbunden. Genau wie er war sie eine Gefangene, auch wenn sie sich innerhalb der Mauern frei bewegen durfte. Friedrich mied jedoch jeden Kontakt zu ihr. Bei den Mahlzeiten wurde sie zu einem Stuhl geführt, der so weit entfernt stand, dass sie ihn nicht ansprechen konnte, und bei der Messe musste sievor dem König die Kapelle betreten und durfte sie erst nach ihm wieder verlassen.
Gressingen merkte, dass Trudi in ihren Gedanken versunken war. Mit einem Mal fürchtete er, das Mädchen werde nicht den Mut aufbringen, das zu tun, was er von ihr verlangen musste. Ohne auf Utas mahnendes Räuspern zu achten, schloss er Trudi plötzlich fest in die Arme und küsste sie leidenschaftlich.
»Ich brauchte ein Schwert und ein Pferd! Dann kann ich diesem Gefängnis entfliehen«, flüsterte er ihr so leise ins Ohr, dass Uta seine Worte nicht verstehen konnte. Er mochte die Magd nicht, die in seinen Augen schwatzhaft und zu aufsässig war, als dass man ihr etwas Wichtiges anvertrauen konnte.
Trudi überließ sich für ein paar Augenblicke den erfahrenen Händen ihres Geliebten und hätte ihm weitaus mehr gestattet, wäre Uta nicht wie ein Wachhund auf sie zugekommen.
»Herr Ritter, es schickt sich wirklich nicht, meine Herrin so zu überfallen!«
Gressingens drohender Blick hätte selbst die Medusa beschämt, doch Uta dachte nicht daran, zu Stein zu erstarren, sondern funkelte ihn drohend an. »Wenn Ihr meine Herrin weiterhin zu solchen Dingen verführen wollt, werde ich es melden!«
Im ersten Augenblick befürchtete Gressingen, Uta habe seine Bitte an Trudi doch gehört, begriff dann aber, dass sie seine Umarmung und die Küsse meinte, und lächelte. Mit ihrer übertriebenen Wachsamkeit trieb die Magd ihre Herrin nur noch stärker in seine Arme. Er mimte jedoch den reuigen Sünder und ließ Trudi los. »Verzeiht, aber ich vermochte meine Leidenschaft nicht mehr zu zügeln.«
»Es gibt nichts zu verzeihen!« Trudi strich ihm mit der Hand sanft über die Wange und wünschte Uta ins Pfefferland. Es wäre so schön gewesen, mit ihrem Geliebten allein zu sein und über alles sprechen zu können, was sie beide bewegte. Der Gedanke, er könnte dabei von ihr dasselbe fordern wie damals im FuchsheimerWald, ernüchterte sie jedoch ein wenig. Das gehörte zwar dazu, wenn man verheiratet war, aber vorher sollte ein sittsames Mädchen nicht einmal an so etwas denken.
Trudi seufzte und nickte ihrer Magd zu. »Es ist schon gut, Uta. Du kannst weiternähen.«
»Wenn Ihr noch oft hierherkommen wollt, werde ich mir neue Sachen besorgen müssen, die ich ausbessern kann. Mit Euren Kleidern bin ich fertig.«
»Herr von Gressingen würde sich gewiss freuen, wenn du deine Nadelfertigkeit seinen Gewändern zukommen lassen würdest.« Trudis Vorschlag entlockte Uta nur ein verächtliches Schnauben. Bevor sie auch nur einen Stich für diesen Ritter tat, würde sie die Wirtschafterin der Burg um einen Stapel Wäsche bitten, der dringend geflickt werden musste. Sie mochte Junker Georg nicht, obwohl ihre Herrin ganz vernarrt in ihn war. Dabei hatte sie vor etlichen Monaten noch davon geträumt, ihrer Herrin zu Gressingens Burg zu folgen und dort Wirtschafterin werden zu dürfen. Doch diese Zeit lag inzwischen so fern wie der Mond am Himmel.
Hier in Graz hatte sie den Mann beobachten können und spürte etwas Falsches an ihm. Sie hatte versucht, Trudi darauf anzusprechen, aber ihre Herrin war so in diesen windigen Ritter vernarrt, dass ihr wohl auch der letzte Funken Verstand abhandengekommen war. Gerade deswegen nahm sie sich vor, die Augen offen zu halten und zu verhindern, dass Jungfer Trudi Dummheiten machte, die sie später einmal bereuen würde.
Uta setzte sich wieder in ihre Ecke und nahm das Kleid zur Hand, um den Rest des widerspenstigen Saums zu bändigen. Dabei ließ sie Trudi und Gressingen nicht aus den Augen.
Der Junker hatte inzwischen begriffen, dass er sich vor der Magd in Acht nehmen musste, und näherte seinen
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