Die Tochter der Wanderhure
weniger auf die himmlischen Mächte verlassen als vielmehr auf seinen Verstand. Er müsste als Erstes Truppen sammeln und seinen Bruder zur Räson bringen. Danach würden auch die Böhmen und Ungarn kuschen.« Er schnaubte, füllte einen Becher mit Wein und stürzte diesen in einem Zug hinunter.
Hardwin schenkte sich ebenfalls ein, trank aber um einiges weniger hastig als Eichenloh. »Im Reich nennt man Friedrich einen Zauderer und traut ihm kaum etwas zu. Wie man munkelt, sollen sich die Kurfürsten für ihn entschieden haben, weil er einen ehrgeizigen Bruder hat, der die Machtgelüste des neuen Königs im Zaum hält. Während die beiden miteinander beschäftigt sind, heißt es, können die Großen des Reiches schalten und walten, wie sie es für richtig finden. Ich wäre mir da jedoch nicht so sicher. Friedrich mag zwar alles und jedes bedenken, doch gerade damit bereitet er sich auf alle Möglichkeiten vor und weiß genau, wie er reagieren muss.«
Eichenloh lachte bitter auf. »Wenn er wenigstens reagieren würde! Aber hier am Hof wird alles nur zerredet.«
»Du würdest anders reden, wenn Frühling wäre und du an der Spitze unserer Schar ins Feld ziehen könntest. Die kurzen Ausritte, die wir derzeit unternehmen können, passen dir nicht, vor allem, weil Trudi Adler es vorzieht, unsere Begleitung zu meiden.«
Sein Freund fuhr auf wie von der Tarantel gestochen. »Bist du völlig närrisch geworden? Was schert mich dieses boshafte und undankbare Ding? Wegen mir könnte König Friedrich sie an die Türken verkaufen!«
»Also beschäftigt sie dich doch! Sonst würdest du nicht so daherreden«, trumpfte Hardwin auf.
Junker Peter ballte die Fäuste, und für einige Augenblicke sah es so aus, als wolle er seinen Freund schlagen. Dann setzte er sich mit einer verächtlichen Handbewegung und goss sich den nächsten Becher ein.
Hardwin musterte ihn missbilligend. »Du solltest weniger trinken! Der Wein verschafft dir zuerst einen Hitzkopf, danach Kopfschmerzen und schließlich Übelkeit.«
»Das mag vielleicht dir so gehen, aber ich vertrage einiges mehr!« Um seine Worte zu bekräftigen, trank er den Becher leer und wollte ihn wieder auf den Tisch stellen. Er verschätzte sich jedoch und setzte ihn so auf die Kante, dass das Gefäß vom Tisch kippte und auf den Boden fiel.
»Sei bloß froh, dass du in deinem Zustand nicht auch noch das Schwert ziehen musst. Du würdest wohl doppelt so viele Feinde sehen, als dir in Wirklichkeit gegenüberstehen.«
Auch wenn Hardwins Worte spöttisch klangen, war er doch ehrlich um seinen Anführer besorgt, denn bis zu diesem Aufenthalt hatte er ihn als beherrschten Menschen erlebt. Die erzwungene Untätigkeit aber machte Junker Peter reizbar, und die Gegenwart von Trudi Adler übte eine eigenartige Wirkung auf ihn aus. Eichenloh schien die Jungfer kaum zu beachten, doch wenn er sich unbeobachtet glaubte, starrte er sie an, als wolle er sie fressen.
Hardwin hatte den Auftritt der beiden in Fuchsheim miterlebt und auch gerüchteweise gehört, dass sie einige Zeit zuvor in Dettelbach heftig aneinandergeraten sein sollten. Was, fragte er sich, mochte in ihnen vorgehen? Zwar spielte er selbst mit dem Gedanken, Trudi zu seiner Gemahlin zu machen, um eine tatkräftige Frau auf seinen Besitz zu bringen, doch er hätte sie auch Junker Peter vergönnt. Aber so, wie die zwei zueinander standen, würden sie sich eher zerfleischen, statt gut zusammenzuhausen. Es war also wohl doch besser, wenn er selbst um sie warb. Schon vor ein paar Tagen, als König Friedrich von einer Heirat Trudis gesprochen hatte, war Hardwin kurz davor gewesen, sich als möglichen Bräutigam ins Spiel zu bringen. Vielleicht sollte er etwas energischer auf dieses Ziel hinarbeiten. Seine Gedanken verließen jedoch diesen Pfad wieder und wandten sich seinem Freund zu.
»Trudi hält dich immer noch für den Mörder ihres Vaters. Daher dürfte sie sich so schroff benehmen.«
Sein Versuch, bei Peter um Verständnis für das Mädchen zu werben, rief nur eine weitere abwertende Handbewegung hervor. »Der Verstand müsste ihr sagen, dass ich es nicht gewesen sein kann. Hätte ich sonst versucht, Henneberg zu helfen?«
»Henneberg ist dein Freund. Trudi dürfte annehmen, du wolltest ihn nicht für eine Tat bestraft sehen, die du selbst begangen hast.«
Hardwins Vermutung war nicht von der Hand zu weisen, doch Eichenloh war zu verärgert und auch zu betrunken, um sie ernsthaft zu erwägen. »Sie ist ein boshaftes
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