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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Bekannten zu reden, während sein Neffe neidvoll die Kleidung der Anwesenden betrachtete. Sogar die einfachen Bürger der Stadt, denen das Privileg erteilt worden war, zur Audienz erscheinen zu dürfen, prunkten mit gutgeschnittenen Wämsern. Zwar wurde die Auswahl der Stoffe für ihre Gewänder durch Vorschriften eingeschränkt, die schon die Vorgänger des jetzigen Bischofs erlassen hatten, aber das, was sie trugen, war von bester Qualität, und in den dicken Beuteln an ihren Gürteln klingelte es golden.
    »Das verdammte Pack tut direkt so, als hätte der Herrgott es zu unseresgleichen gemacht«, schimpfte Albach, als der Haushofmeistereine Gruppe bürgerlicher Kaufherren aufrief und in den Saal führte.
    »Denen würde ich gerne einmal auf freiem Feld begegnen und sie um ihre Geldkatzen erleichtern«, murmelte Gressingen.
    Zwar war die Bemerkung nur für ihn selbst bestimmt, doch sein Onkel blickte ihn warnend an. »Tu das ja nicht! Das Gesindel würde sofort zum Bischof laufen und sich beschweren. Wenn du Glück hast, schickt Seine Gnaden nur einen seiner Hauptleute mit ein paar hundert Söldnern vor deine Burg und fordert dich auf, Abbitte zu leisten und den Pfeffersäcken ihren Schaden wiedergutzumachen. Hast du aber Pech, stürmen sie gleich deine Burg und hängen dich auf. Nein, mein Junge, es gibt bessere Arten, an Reichtum zu kommen.«
    Da die Bürger gerade den Audienzsaal verließen und der bischöfliche Herold auf sie zukam, konnte Albach nicht weiterreden. Er gab seinem Neffen einen Wink, mit ihm zu kommen, und trat auf die Tür zu.
    Zwei Diener rissen die Flügel auf, und wenig später stand Georg von Gressingen vor dem Herrn des Fürstbistums Würzburg, der den Titel eines Herzogs von Franken für sich beanspruchte. Gottfried Schenk zu Limpurg saß im vollen Bischofsornat auf einem thronartigen Stuhl, dem einzigen Möbel im ganzen Saal. Er war ein großer Mann mit energischen Gesichtszügen und sichtlich durchdrungen von der Macht, die sein hohes Amt ihm verlieh. Seine Albe war aus feinstem Linnen gefertigt; darüber trug er eine Dalmatika mit goldbestickten Säumen und die reichverzierte Kasel aus rotem Tuch. Seine Handschuhe und Schuhe waren rot, und an seiner rechten Hand steckte ein großer goldener Ring als Zeichen seiner hohen Würde. Ebenfalls in der Rechten hielt er den Bischofsstab, der in einem schneckenförmigen Endstück aus Gold auslief, und auf seinem Kopf saß die mit aufgestickten Engeln und kreuzförmigen Symbolen versehene Mitra, die ihn noch größer erscheinen ließ.
    Neben Gottfried Schenk zu Limpurg stand ein Mann im Gewand eines päpstlichen Prälaten, das dem des Bischofs glich. Nur leuchtete seine Kasel golden statt rot, und er trug keine Mitra, sondern einen flachen Hut mit einer wagenradartigen Krempe. Mehrere Herren des Hochstifts vervollständigten das Gefolge des Fürstbischofs, und hinter dem Thron standen Gewappnete, die bereit waren, jederzeit einzugreifen. Stumm und regungslos wie Statuen warteten Diener an den Wänden auf Befehle des Fürstbischofs, falls es diesem einfiel, einen Schemel oder einen Becher Wein für einen besonders wichtigen Gast bringen zu lassen.
    Albach und Gressingen wurde eine solche Ehre nicht zuteil. Herr Gottfried blickte zunächst über sie hinweg, bequemte sich dann aber zu einer grüßenden Geste. Gleichzeitig neigte der Prälat seinen Kopf zu ihm hin und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Fürstbischof nickte mehrmals und wandte sich endlich seinen Gästen zu. »Seid mir willkommen, Ritter Maximilian, und Ihr auch, Junker Georg. Da heute so viele Bittsteller erschienen sind, wird der hochwürdige Prälat Cyprian Pratzendorfer sich Eurer annehmen.«
    Das klang nicht gerade herzlich, und Gressingen fragte sich, ob die Hoffnungen, die sein Onkel bezüglich des Würzburger Bischofs hegte, nicht auf Sand gebaut waren. Dann sah er, dass der Prälat ihn mit einem Lächeln betrachtete, das wohlwollend genannt werden konnte, aber auch prüfend wirkte.
    Pratzendorfer neigte kurz das Haupt vor dem Bischof, bat dann Albach und Gressingen, ihm zu folgen, und verließ mit ihnen den Raum. Kurz darauf erreichten sie eine kleine Kammer, in der mehrere Schemel standen. Ein Diener brachte eine Lampe, in der zu Gressingens Verwunderung eine teure Wachskerze brannte, die einen angenehmen Duft verbreitete, und stellte sie mangels eines Tisches auf die Fensterbank.
    »Wünschen die Herren Wein?«, fragte er dabei.
    Gressingen wollte schon ja sagen, doch der

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