Die Tochter der Wanderhure
höheren Rang sein Gewissen zu verkaufen. Damit würde er ihn für weitaus wichtigere Dinge benutzen können, als nur die Pläne von ein paar im Grunde unbedeutenden Burgherren auszukundschaften. Zunächst aber galt es, ihn für diesen ersten Dienst vorzubereiten.
»Die kurze Audienz bei Seiner Eminenz war bewusst inszeniert, Herr von Gressingen. Es soll so aussehen, als wäret Ihr bei ihm in Ungnade gefallen. Aus diesem Grund wird Euer Besitz in den nächsten Tagen von Würzburger Kriegsknechten besetzt werden. Die Burg und das Land, das dazugehört, waren früher einmal Eigentum des Hochstifts. Es soll so aussehen, als habe Herr Gottfried Euch aufgefordert, ihm den Treueid zu leisten, und Euch, nachdem Ihr Euch geweigert habt, Euren Besitz weggenommen.« Pratzendorfer sah die Verwirrung auf Gressingens Gesicht und machte eine beschwichtigende Geste.
»Keine Sorge, Ihr verliert Euren Besitz nicht für immer, sondern bekommt alles zurück und werdet überdies noch belohnt. Es ist jedoch wichtig, dass Ihr als Feind des Bischofs geltet, um auf Fuchsheim, Steinsfeld, Mertelsbach, Kibitzstein und dem Kloster Schöbach ein und aus gehen zu können.«
Das sah Junker Georg ein. Dennoch sträubte sich alles in ihm dagegen, in Zukunft als landloser Ritter zu gelten, denn das würde seinen Wert in den Augen der Adligen stark mindern. Bei dieser Überlegung blitzte ein Gedanke in ihm auf. Wahrscheinlich war dieses scheinbare Unglück sein Vorteil, denn Michel Adler dürfte daraufhin keinen erwünschten Schwiegersohn mehr in ihm sehen. Aber er würde sich dennoch Absolution erteilen lassen, denn die Lossprechung von seinen Sünden gab ihm freie Hand.
13.
A uf Kibitzstein flehte Trudi ihren Geliebten in Gedanken an, doch endlich zu ihr zu kommen. Sie brachte es einfach nicht über sich, sich ihrer Mutter anzuvertrauen, sondern versuchte weiterhin, ihren Kummer alleine zu bewältigen.
Hiltrud war mehrmals kurz davor, mit Marie über Trudi zu reden. Doch jedes Mal, wenn Marie sie aufsuchte oder ihr einen Wagen schickte, der sie in die Burg brachte, schluckte sie das, was ihr auf der Zunge lag, hinab und schwatzte von alltäglichen Dingen. Auch wenn es ihr schwerfiel, Trudis Sorgen vor Marie zu verbergen, durfte sie das Vertrauen des Mädchens nicht enttäuschen.
Während sie und Marie in einem gemütlich eingerichteten Turmzimmer zusammensaßen, mit Wasser verdünnten Wein tranken, an Gebäck knabberten und von früheren Zeiten sprachen, musste sie ihre Freundin immer wieder betrachten. Marie war nun zweiundfünfzig Jahre alt und mit der Zeit etwas stämmig geworden. Das goldblonde Haar hatte an Fülle verloren, und der Kummer und die Entbehrungen vergangener Jahre machten sich durch einige scharfe Kerben im Gesicht bemerkbar. Trotz ihres Alters aber war sie immer noch eine schöne Frau, der viele Jüngere nicht das Wasser reichen konnten.
Auch Michel hatte dem Zahn der Zeit Tribut zollen müssen. Die Verletzungen, die er sich auf den Kriegszügen zugezogen und eigentlich schon wieder vergessen hatte, machten ihm neuerdings zu schaffen. An diesem Tag hatte er sich zu den beiden Frauen gesetzt und sich ebenfalls einen Becher verdünnten Weines einschenken lassen. Sein Gesicht wirkte ernst, und als Marie ihn ansprach, zuckte er zusammen.
»Was hast du, Michel? Du siehst heute so bedrückt aus. Gibt es Probleme?«
Michel versuchte ein Lächeln. »Wie man es nimmt. Noch betrifft es uns nicht direkt, aber ich bin sicher, dass der Würzburger Bischof uns in den nächsten Monaten oft beschäftigen wird. Abt Pankratius und der Fuchsheimer haben inzwischen Beschwerde an den Kaiser geschickt und die Einhaltung der alten Verträge durch Gottfried von Limpurg eingefordert. Damit dürften sie sich den Bischof eine Weile vom Hals halten können.
Statt ihrer hat es Georg von Gressingen getroffen. Der Bischof hat ihn nach Würzburg gerufen und den Treueid von ihm verlangt. Als Gressingen diesen nicht leisten wollte, wurde er seiner Besitzungen verlustig erklärt, und bevor er auch nur das Geringste unternehmen konnte, haben die Soldaten des Bischofs seine Burg besetzt.«
Während Marie besorgt war, weil der Fürstbischof seine Interessen mit brachialer Gewalt durchsetzte, sog Hiltrud scharf die Luft ein. Das war wirklich keine gute Nachricht. Nun verstand sie, warum Junker Georg nicht als Brautwerber auf Kibitzstein erschienen war. Er nahm wohl an, dass er als besitzloser Edelmann hier nicht mehr willkommen war. Arme Trudi, dachte sie
Weitere Kostenlose Bücher