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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Verletzung es zuließ, doch mit jedem Schritt wurde ihr Kopf klarer. Gleichzeitig wuchs ihre Verachtung für sich selbst. Wenn der König starb, war dies die nächste Schuld, die sie auf sich geladen hatte. So beladen würde sie zur Hölle fahren, ohne jegliche Hoffnung, am Tag des Jüngsten Gerichts ins Paradies aufgenommen zu werden.
    Ihre Füße klatschten auf den Boden, und das Geräusch hallte von den Wänden wider. Trudi bemerkte die Leute kaum, die ihr verwundert nachstarrten, und nahm auch den Aufschrei der Frau kaum wahr, die ihr blutüberströmtes Gesicht direkt vor sich auftauchen sah. Nach einer schieren Ewigkeit erreichte sie den Korridor, der zur Kapelle führte, und bog in ihn ein. Die Leibwächter steckten gerade die Köpfe zusammen und unterhielten sich so leise, als hätten sie Angst, ihren Herrn beim Gebet zu stören.
    Als Trudi auf sie zurannte, wandten sie sich ihr zu und wollten sie aufhalten. Doch das Blut, das Haare und Kleid getränkt hatte, schenkte ihr einen Augenblick der Überraschung. Sie tauchte unter den zugreifenden Händen hindurch und schlüpfte durch die angelehnte Tür in die Kapelle.
    Sie sah den König vor dem kleinen Altar knien und Gressingen stoßbereit hinter ihm stehen. Den König jetzt noch zu warnen, war ebenso sinnlos, wie die Wachen zu rufen. Niemand würde die Mordtat mehr verhindern können.
    Aber noch hatte Gressingen sie nicht bemerkt. Trudis Blick fiel auf eine unterarmlange Madonnenstatue, die nicht weit von ihr auf einem Podest stand, und sie erinnerte sich daran, wie Uta in der Höhlenburg den Schurken Hohenwiesen niedergeschlagen hatte. Wenn die Wächter ihr nicht sofort folgten und Gressingens Aufmerksamkeit auf sie richteten, mochte ihr Ähnliches gelingen.
    Gressingen hatte kein Ohr für das leise Tappen hinter sich. Sein Herz schlug wie ein Hammer, und er wollte den König im ersten Impuls ansprechen, um dessen Gesicht im Angesicht des Todes zu sehen. Doch wenn Friedrich nach seinen Wachen rief, würden diese hereinkommen und ihn sofort verfolgen. Sein Blick suchte die Stelle, an der das Schwert den Lebensfaden des Königs so durchschneiden würde, dass Friedrich zu keinem Schrei mehr kam, und spannte seine Muskeln zum Stoß.
    In dem Augenblick tauchte ein Schatten an seiner Seite auf. Er nahm noch ein rot verschmiertes Gesicht mit wild flackernden Augen wahr und rotfleckige Hände, die einen länglichen Gegenstand schwangen.
    Trudi schlug mit all der Kraft zu, die ihr brennender Hass und unendlicher Zorn verliehen. Im selben Moment drehte der König sich um und sah den Mann hinter sich, dem das Schwert aus der erschlaffenden Hand fiel, und das blutüberströmte Mädchen, das eine Madonnenstatue fallen ließ.
    Mittlerweile hatten auch die Leibwachen des Königs begriffen, dass die Gefahr nicht aus dem Palas kam, wie sie es beim Anblick der verwundeten Frau angenommen hatten, und stürzten mit Schwertern in den Händen in die Kapelle. Friedrich empfing sie mit versteinerter Miene. »Bevor ich die Kapelle betrete, werdetihr in Zukunft nachsehen, ob sich jemand in der Sakristei befindet!«
    Die Männer nickten beschämt. Einer von ihnen trat zu Gressingen hin und schüttelte verwirrt den Kopf. »Das ist doch der Gefangene. Wie konnte er aus seiner Kammer entkommen?«
    »Das werden wir wohl alles erfahren. Einer soll jetzt meinen Arzt holen, damit er sich dieser mutigen Jungfrau annimmt. Ihr anderen schafft den Kerl da fort.«
    »Soll der Arzt sich auch um ihn kümmern?«, fragte einer der Leibwächter.
    Friedrich hob die Madonnenstatue auf, wog sie kurz in der Hand und stellte sie an ihren angestammten Platz. »Später vielleicht! Dem Mann dürfte wohl nicht mehr zu helfen sein. Die Statue besteht aus massiver Bronze. Damit dürfte Jungfer Trudi ihm den Schädel eingeschlagen haben.«
    Erleichterung und eine gewisse rachsüchtige Zufriedenheit schwangen in der Stimme des Königs mit; sogar dann noch, als er niederkniete und Gott, Christus und der Heiligen Jungfrau dankte, dass sie ihm in dieser Stunde ihre Gunst nicht entzogen hatten.
    Drei Wachen schleiften Gressingen wie ein totes Schwein hinaus, während der vierte Mann losrannte, um den Arzt zu holen und den Vertrauten des Königs zu berichten, was sich hier zugetragen hatte.

11.
    Z wei Tage später wurde Gressingen unbetrauert in einem Winkel des Friedhofs verscharrt. Außer den beiden Knechten, die seinen Leichnam ins Grab warfen und Erde darüberschaufelten, war nur noch ein einfacher Priester

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