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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Flüssigkeit.
    »Wenn sie wenigstens die Augen aufmachen würde! Doch sie liegt entweder völlig regungslos da oder wirft sich herum, als kämpfe sie gegen einen Dämon, der sie in die Hölle zerren will.« Uta fasste nach Trudis Hand und führte sie an ihre Lippen. »Bitte, Herrin, wacht doch auf!«
    »Ist ihre Verletzung so schlimm?«, fragte Eichenloh.
    »Eigentlich nicht. Gressingen hat sie nur mit der flachen Klinge getroffen und nicht mit der Schneide. Es ist nur eine große Platzwunde, doch der Arzt sagt, ihr Gehirn sei arg erschüttert worden. Aber das ist keine Verletzung, an der man sterben muss. Ich fürchte, sie will einfach nicht mehr leben. Da! Jetzt beginnt es wieder. Hört doch selbst!«
    Trudi warf sich mit fest geschlossenen Augen herum, und ihre Hände bewegten sich, als wolle sie etwas abwehren. Dabei stieß sie Töne aus, die wie unterdrückte Hilfeschreie klangen, und begann dann mit dünner Stimme zu sprechen. »Geht weg! Geht weg! Nicht dorthin! Nicht nach unten! Oh, Vater im Himmel, ich habe alle verraten, die ich liebte, und so viel Schuld auf mich geladen. Verzeih mir! Ich will ja sterben!«
    »Herrin, sagt das nicht!«, flehte Uta und sah Eichenloh voller Verzweiflung an. »Der Arzt müsste ihr Mohnsaft geben, damit diese Anfälle aufhören, doch er wagt es nicht aus Angst, sie würde dann ganz in die andere Welt hinübergleiten. So aber ist noch etwas Leben in ihr.«
    Junker Peter war sichtlich erschüttert, versuchte aber, Uta aufmunternd anzublicken. »Es wird alles wieder gut werden! Du musst nur fest daran glauben.«
    Die Magd schniefte und schüttelte den Kopf. »Ich kenne meine Herrin. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, dann führt sie es auch aus. Sie glaubt, versagt zu haben, und sehnt ihr Ende herbei.«
    »Das ist doch Unsinn!«, unterbrach Peter von Eichenloh sie erregt. »Sie ist das mutigste Mädchen, das mir je untergekommen ist.«
    »Das ist sie ganz bestimmt! Wenn ich daran denke, wie sie diesen Otto von Henneberg in seine Schranken gewiesen hat.«
    Utas Augen blitzten zornig auf, denn mit jener Aktion hatte nach ihrem Dafürhalten das Unglück begonnen. Da sie sonst niemanden hatte, mit dem sie über Trudi reden konnte, kam ihr Eichenloh gerade recht. Ehe er sich’s versah, erfuhr er alles, was die Magd ihm berichten konnte, angefangen von dem Tag, an dem die Hilgertshausener die Kibitzsteiner Mägde im Weinberg überfallen hatten. Vieles kannte sie selbst nur vom Hörensagen, wie die Ereignisse um den Mord an Michel Adler, doch sie wusste die Fäden sehr geschickt zu verknüpfen.
    Junker Peter hörte ihr aufmerksam zu und zog seine eigenen Schlüsse. Darin spielte Pratzendorfer keine geringe Rolle. Er hatte dessen Wirken am eigenen Leibe erlebt und nicht vergessen, wie eifrig dieser sich bemüht hatte, ihm den Mord an Michel Adler in die Schuhe zu schieben. Offensichtlich hatte der Prälat auch das Netz gesponnen, in dem Trudi und ihre Verwandten nun klebten.
    Uta ließ sich durch Hardwins Rückkehr nicht unterbrechen, sondern sprach unentwegt weiter. Sie fand in Peter von Eichenloh einen interessierten Zuhörer, und als Hardwin der Magd über den Mund fuhr, forderte er den Freund knurrig dazu auf, sich herauszuhalten. Er wollte alles über Trudi erfahren, was Uta ihm erzählen konnte. Dabei fiel ihm auf, mit welcher Liebe die Magd von ihrer Herrin sprach.
    Das wurde auch Uta bewusst, die bisher selten einer Meinung mit Trudi gewesen war und ihr die lange, beschwerliche Reise und die Gefangenschaft in der Höhlenburg noch nicht verziehen hatte. Doch während sie Eichenloh alles haarklein berichtete, begriff sie, dass Trudi das einzig Richtige getan hatte, um ihrer Mutter zu helfen und Kibitzstein der Familie zu erhalten.
    Nach dieser Erkenntnis klagte Uta sich selbst an, nicht die Bedienstete gewesen zu sein, die Trudi verdiente, und ihre Herrin nicht genügend unterstützt zu haben.
    Peter aber war der Meinung, dass Utas Sünden eher lässlicher Natur waren, und fiel ihr ins Wort. »Du hast getan, was du konntest. Nun mach weiter und sorge für deine Herrin wie für deinen Augapfel.«
    »Das werde ich tun, Herr!« Wie um zu zeigen, wie sehr ihr Trudis Wohlergehen am Herzen lag, wischte sie ihr den Schweiß von der Stirn und bat dann die beiden Herren, sie allein zu lassen, da sie ihre Herrin am ganzen Körper trockenreiben müsse.
    Junker Peter wäre gerne länger geblieben, doch Hardwin sah, dass sein Freund kaum noch die Kraft hatte, sich aufrecht zu halten, und

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