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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Schließlich war nicht er, sondern dieser elende Fürstbischof daran schuld, der auch ihrem Vater große Sorgen bereitete. Sie ärgerte sich so über den Mann, dass sie am liebsten nach Würzburg geritten wäre und Herrn Gottfried für seine Bosheiten erwürgt hätte.
    Da sie mit einem Mal das Gefühl hatte, die Wände ihrer Kammer schnürten ihr den Atem ab, kehrte sie Uta den Rücken zu und trat auf den Flur. Auf dem Weg in den Burghof kam ihr die Mutter entgegen und hielt sie auf. »Trudi, ich glaube, wir beide müssen miteinander reden!«
    »Ja, Mama!« Trudi spürte einen dicken Kloß im Hals und kämpfte gegen den Wunsch, sich an einem Ort zu verkriechen, an dem niemand sie fand, und ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Mit verschleierten Augen versuchte sie zu erkennen, ob ihre Mutter sehr wütend war. Doch Frau Marie wirkte ernst und geradezu kalt. Das verunsicherte Trudi mehr als ein heftiger Zornausbruch, und sie bekam es mit der Angst zu tun. Wohl hatte sie sich in den letzten Monaten immer wieder mit ihrer Mutter gestritten, aber in ihrem Kummer war ihr bewusst geworden, wiesehr sie sie liebte. Nun sah es so aus, als hätte sie sich die Zuneigung ihrer Mutter verscherzt.
    Marie führte ihre Tochter in ihre eigenen Räume und hieß sie, sich auf einen Stuhl zu setzen. Danach füllte sie etwas Wein in zwei Becher, vermischte ihn mit Wasser und reichte Trudi ein Gefäß. Sie lehnte sich gegen den Tisch, um ihr Knie zu entlasten, und blickte auf ihre Tochter hinab. Ihre Älteste wirkte so hilflos und verletzlich, dass es ihr schier das Herz zerriss.
    »Wenn es wirklich dein Wunsch ist, werde ich einer Heirat mit Gressingen zustimmen, sollte er kommen und um dich werben!« Das waren nicht gerade die Worte, die Marie hatte sagen wollen, doch der elende Zustand ihrer Tochter flößte ihr Angst ein. Trudi sah erstaunt zu ihr auf. »Wirklich? Das würdest du tun?«
    »Du bist meine Tochter, und ich will, dass du glücklich bist. Wenn du glaubst, Junker Georg sei der Richtige für dich, werde ich dir nicht im Weg stehen.«
    Marie erwartete für dieses Zugeständnis freudigen Dank, doch Trudi sah einfach nur verblüfft aus und nicht wie jemand, dem eben ein Herzenswunsch erfüllt worden war.
    »Ich dachte, du willst es so«, setzte Marie etwas fragend hinzu.
    »Freilich will ich es!« Nun begriff Trudi, dass kein Strafgericht über sie kommen sollte. Entgegen allen Befürchtungen bekam sie ein Zugeständnis, mit dem sie nie gerechnet hatte. Sie sprang auf und schlang ihre Arme um die Mutter. »Danke, Mama! Du bist so lieb zu mir, und dabei habe ich das gar nicht verdient. Aber ich liebe Georg von Gressingen und möchte seine Frau werden. Natürlich ist er nicht mit Vater zu vergleichen, aber das ist wohl kein Mann auf der Welt.«
    »Wenn du einmal verheiratet bist, solltest du deinen Gemahl nie mit der Elle deines Vaters messen, mein Kind, sondern an seiner Liebe zu dir.« Marie strich Trudi über das Haar und erwiderte ihre Umarmung. »Ich hab dich doch lieb!«
    Dabei dachte sie an die Strafpredigt, die sie auf den Kopf dieses ungebärdigen Mädchens hatte niedergehen lassen wollen, und schalt sich in Gedanken, weil sie weich geworden war.
    Trudi klammerte sich weinend an ihre Mutter. »Ich habe deine Güte wirklich nicht verdient, denn ich bin sehr hässlich zu Lisa gewesen und habe sie sogar geschlagen. Das tut mir so leid!«
    »Ich werde Lisa sagen, dass du es bereust, und sie wird dir verzeihen! Schließlich seid ihr Schwestern.« Marie neigte sich zu Trudi nieder und küsste sie auf die Stirn. Sie würde mit Lisa reden, und da das Mädchen nicht nachtragend war, würde der Streit bald ein Ende haben. Was Gressingen betraf, so war sie um des lieben Friedens willen bereit, ihn willkommen zu heißen.

ZWEITER TEIL
     
Schatten am Horizont

1.
    M agnus von Henneberg streifte den Begleiter seines Bruders mit einem verächtlichen Blick. Der Mann schien die Kemenate einer Dame mit einem Feldlager zu verwechseln. Zwar nannte er sich Peter von Eichenloh, aber so nachlässig, wie er gekleidet war und sich auf seinem Stuhl flegelte, hatte er wenig von einem Edelmann an sich. Wenn er seinen Becher leerte, tropfte ihm der Wein in den Bart, und er lachte als Einziger über die derben Witze, die er erzählte.
    Von Otto wusste Graf Magnus, dass der Kerl sein Geld in fremden Diensten verdiente. Dabei wirkte Eichenloh nicht sonderlich imposant. Er war mittelgroß, kräftig gebaut, ohne untersetzt zu wirken, und hatte ein

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