Die Tochter der Wanderhure
ihrer angenommen hat.«
Es war der Beginn eines längeren Vortrags, der jedoch wie Wasser an Trudi abglitt. Schon längst bereute sie ihre harschen Worte. Als die Ältere war Trudi jedoch zu stolz, ihre Ziehschwester um Verzeihung zu bitten, und hatte gehofft, die hässliche Angelegenheit würde sich auf die eine oder andere Weise in Wohlgefallen auflösen. Nun aber bekam sie es mit der Angst zu tun. Ihre Mutter liebte Lisa wie ein eigenes Kind und würde es niemals zulassen, dass ihre eigene Tochter diese beleidigte oder gar schlug.
Trudi sah einen Streit mit der Mutter und wahrscheinlich auch eine harte Strafe auf sich zukommen. Ihr Herz flatterte, während sie sich vorstellte, wie der Vater ihr helfen und sich gegen die Mutter stellen würde. Ein Zerwürfnis ihrer Eltern war jedoch das Letzte, das sie sich wünschte. Als Uta jetzt auch noch begann, neben Lisa und Hildegard auch noch über Marie herzuziehen, fuhr sie wütend auf.
»Weißt du überhaupt, was du da sagst? Frau Marie ist nicht nur meine Mutter, sondern auch deine Herrin. Wenn du noch ein Wort gegen sie sagst, sorge ich dafür, dass du Rutenschläge erhältst!«
Die Magd hob erschrocken die Hände und entschuldigte sich. Hätte Trudi, die sich gerade das Kleid über den Kopf ziehen ließ, dem Mädchen ins Gesicht sehen können, wäre ihr jedoch aufgefallen, dass Uta keine Spur eines schlechten Gewissens zeigte, sondern beleidigt war, weil sie Dank für ihre Mitteilung erwartet hatte. Schließlich war sie ihrer eigenen Einschätzung nach die Einzige, die voll und ganz zu Maries leiblicher Tochter stand. Alle anderen redeten der Burgherrin nach dem Mund und behandelten die beiden anderen Mädchen, als wären sie Trudi gleichrangig.
Da Uta scheinbar verängstigt schwieg, versuchte Trudi, sie zu beruhigen.»Ich will natürlich nicht, dass du geschlagen wirst. Aber du solltest aufpassen, was du sagst.«
Sie wollte nicht allzu hart mit Uta umspringen, denn sie mochte die geschickte Magd, hätte sich aber gewünscht, dass das Mädchen etwas weniger redselig wäre und zuerst nachdenken würde, bevor es den Mund aufmachte.
»Soll ich die Truhe da drüben ebenfalls aufräumen?«, fragte Uta spitz. Sie fühlte sich schlecht behandelt und wollte, dass ihre Herrin dies auch merkte.
»Ja, danke! Tu das!« Trudi nickte erfreut, bedauerte ihre Zustimmung aber sofort, denn Uta holte als Erstes jenes grüne Gewand heraus, das sie auf Fuchsheim getragen hatte. Sie hatte es bei ihrer Rückkehr ausgezogen und so schmutzig, wie es war, in die Truhe geworfen.
»Das Kleid ist ja voller Dreck! Es hätte zuerst in die Wäsche gehört. Seht, der Rücken ist ganz braun, so als hättet ihr auf der Erde gelegen – und hier innen ist ein dunkler Fleck, der ganz in den Stoff eingezogen ist.« Die Magd hielt ihrer jungen Herrin das Gewand anklagend unter die Nase.
Trudi presste die Lippen zusammen, um nicht aufzuschreien. Der dunkle Fleck stellte nicht mehr und nicht weniger dar als den Rest ihres Jungfernbluts, das sie nicht vollständig hatte auswaschen können. Obwohl sie sich nach Junker Georg sehnte und hoffte, bald seine Frau zu werden, wollte sie sich möglichst nicht mehr an das erinnern, was im Fuchsheimer Wald geschehen war. Sie riss Uta das Kleid aus den Händen und schleuderte es zu Boden.
»Bringe es weg und verbrenne es. Ich will es nicht mehr sehen!«
»Aber es ist doch Euer bestes Kleid«, protestierte die Magd.
»Wenn du als Leibmagd in meinen Diensten bleiben willst, solltest du lernen, mir zu gehorchen!«
Uta verstand die Launen ihrer Herrin nicht, begriff aber, dass es besser war, ihre Arbeit stumm fortzusetzen. Kurz überlegte sie,ob sie das Kleid verstecken und für einen anderen Zweck verwenden sollte. Doch wenn Trudi es entdeckte, würde sie noch zorniger werden.
»Da Ihr es so haben wollt, werde ich das Kleid in der Küche verbrennen, wenn die Köchin und ihre Mägde in der Gesindekammer beisammensitzen. Wenn sie sähen, was ich tue, würden sie es gewiss Frau Marie berichten.«
»Tu es heimlich und verlier nie mehr ein Wort darüber!« Trudi wandte sich ab, damit die Magd nicht sehen konnte, dass sie den Tränen nahe war. Das Verhalten des Dieboldsheimers hatte sie abgestoßen und verletzt. Sie hatte nicht geahnt, dass Männer so widerwärtig sein konnten. Umso mehr sehnte sie sich nach Junker Georg und hoffte, er käme endlich nach Kibitzstein. Ihr machte es nichts aus, dass er keine Heimat mehr besaß, in die er sie bringen könnte.
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