Die Tochter der Wanderhure
lag auf der Zunge zu fragen, warum er es nicht schon längst getan habe, aber mit Vernunft war hier nichts zu erreichen. Trudi klammerte sich an seine angebliche Treue zu ihr und wollte keine andere Wahrheit gelten lassen als die, an die sie glaubte. Daher sah die Mohrin kommen, dass die Jungfer schon in nächster Zeit schmerzhaft aus ihren Träumen gerissen werden würde. Gerade in dieser Situation war es bedauerlich, dass zwischen Trudi und ihrer Mutter nicht mehr jene enge Verbundenheit herrschte wie in früheren Jahren. Alika wünschte, Marie brächte ein wenig mehr Geduld mit ihrer Tochter auf. So, wie die beiden im Augenblick zueinander standen, würde ihre Herrin das Mädchen noch tiefer in seinen Trotz hineintreiben.
Im Augenblick sah sie nur eine Lösung des Problems: Trudi musste sich ihrem Vater anvertrauen. Zwar waren Väter nicht gerade die Personen, denen Töchter ihre intimen Geheimnisse mitzuteilen pflegten, und Alika war sich auch nicht sicher, ob Michels Stolz auf Trudi diesen Stoß ertragen würde. Aber sie sah keinen anderen Ausweg.
»Sprich mit deinem Vater!«, sagte sie eindringlich. »Er vermag auf Gressingen einzuwirken und den Junker zu zwingen, zu seinem Wort zu stehen. Andernfalls läufst du Gefahr, dass deine Eltern dich mit einem anderen Herrn verheiraten und dein Makel entdeckt wird. In dem Fall würdest du mit Schimpf und Schande nach Hause geschickt oder gar in ein Kloster gesteckt, damit dein Bräutigam eine andere Ehe eingehen kann. Das willst du deinem Vater doch nicht antun!«
Trudi schüttelte wild den Kopf. »Nein, ganz gewiss nicht! Aber …«
»Vergiss nie, dass Gressingen an deiner Situation schuld ist, und danke der Heiligen Jungfrau, dass er dich dabei nicht geschwängerthat. Sonst wäre deine Schande noch größer. Er ist kein so hoher Herr wie der Markgraf von Brandenburg-Ansbach, der einer Jungfer zu einem dicken Bauch verhelfen kann, ohne dass man ihm oder dem Mädchen einen Vorwurf macht. Ein Albrecht Achilles würde dich einfach mit einem passenden Gefolgsmann verheiraten, der es als eine Ehre ansehen würde, auf diese Weise mit seinem Herrn verbunden zu sein. Gressingen ist nur ein einfacher Ritter und steht trotz seiner langen Ahnenreihe im Rang unter deinem Vater. Wenn offenbar würde, was er mit dir getrieben hat, würde es nur deinen Ruf beschmutzen. Also geh zu Herrn Michel und lass dir von ihm helfen.«
Trudi hörte zwar zu, schien aber nicht bereit, Alikas Ratschlag anzunehmen. Sie trank ihren Wein aus und stand auf. »Ich muss aufbrechen. Die Ziegenbäuerin erwartet mich.«
4.
H ans von Dettelbach wirkte an diesem Tag noch hinfälliger als beim letzten Besuch. Dennoch versuchte Michel, den alten Ritter von den Vorteilen zu überzeugen, die dieser aus einer Verpfändung seines Marktes an ihn ziehen würde. Dabei ärgerte er sich im Stillen, weil er eines seiner anderen Besitztümer würde opfern müssen, um die Pfandsumme aufzubringen. Aber er konnte sich nicht gleichzeitig auf eine Fehde vorbereiten und Geld für den Ankauf des Marktorts ausgeben.
Der Dettelbacher hob abwehrend die Hand. »Ihr erschöpft mich, Kibitzstein. Ich verstehe Eure Beweggründe, will aber zu einer besseren Zeit darüber nachsinnen. Doch Ihr sollt den Ritt nicht ganz umsonst angetreten haben. Daher bin ich bereit, Euch zunächst einmal die Hälfte des Dorfes Erlbach zu verpfänden, um für dieses Geld Messen für mein Seelenheil lesen zu lassen.«
Erlbach befand sich zwar unweit von Dettelbach, war aber vollständig von Würzburger Gebiet umgeben. Deswegen hätte Michel diesen Handel am liebsten abgelehnt. Aber damit hätte er Herrn Hans verärgert und ihn vielleicht dazu getrieben, den Marktflecken an einen anderen zu verpfänden oder zu vererben. Deswegen streckte er dem Kranken die Hand hin.
»Das tun wir, Ritter Hans! Gott schenke Euch für diese Gebete noch etliche Jahre bei guter Gesundheit. Ich möchte noch manchen Humpen mit Euch leeren.«
Hans von Dettelbach ergriff Michels Hand mit schlaffem Griff, sank aber sofort wieder in die Kissen zurück, die seine Wirtschafterin ihm in den Rücken gestopft hatte. »Lasst den Vertrag von meinem Beichtvater aufsetzen. Er wird ihn mir vorlegen.«
Seine Stimme klang so, als empfände der Kranke es bereits als zu anstrengend, Unterschrift und Siegel unter eine Urkunde zu setzen.
Michel wollte wenigstens noch die Pfandsumme aushandeln, erhielt aber zur Antwort, dass der Priester auch dies übernehmen würde.
»Ich bin zu müde
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