Die Tochter der Wanderhure
genau der Mann, der ihm beibringen konnte, sich in einerrauhen Umwelt zu behaupten. Außerdem hatte er, wenn er mit Eichenloh ritt, gewiss an anderes zu denken als an Bona.
Eichenloh musterte ihn noch einmal und stellte fest, dass Steinsfeld es tatsächlich ernst zu meinen schien. »Meine Leute lagern derzeit beim Kloster Schöbach. Wenn Ihr mich dort aufsuchen wollt, solltet Ihr Euch beeilen. Lange werde ich dort nicht mehr bleiben.« Er hoffte, den jungen Mann mit dieser Auskunft abzuschrecken, denn ihm war im Augenblick nicht danach, ein Muttersöhnchen gerade zu biegen. Mit dieser Auskunft ging er davon, um Otto zu suchen und einen Becher Wein mit ihm zu leeren.
Hardwin blickte ihm nach und beschloss, nach Schöbach zu reiten. Obwohl er seine Mutter liebte und ihr großen Kummer bereiten würde, wenn er sie verließ, um sich Söldnern anzuschließen, hielt er es für besser, der Heimat eine Weile den Rücken zuzukehren. Er musste immer wieder an Bona denken, die ihm ihre Jungfernschaft zum Geschenk gemacht hatte, und seine Sehnsucht nach ihr wütete wie ein zehrender Schmerz in seinem Inneren. Noch an diesem Tag würde sie das Eigentum eines anderen Mannes werden. Über diesen Verlust würde er wohl nie hinwegkommen, aber er nahm sich vor, die Erinnerung an sie tief in seinem Herzen zu verschließen.
Aus diesem Grund wollte er einige Zeit mit Eichenlohs Söldnern reiten und sich selbst beweisen, dass er ein Mann war und kein Knabe am Rockzipfel der Mutter. Wenn er zurückkehrte, würde er um Trudi anhalten, denn er glaubte nicht, dass Gressingen ihm in die Quere kommen würde. Wenn der Mann wirklich Interesse an Trudi hegte, hätte er sich längst erklärt, auch um zu verhindern, dass jemand anders um die reiche Erbin freite. Er wäre gewiss als einer der Ersten nach Fuchsheim gekommen, um anderen zu zeigen, dass Trudi ihm gehörte. Doch bisher hatte Gressingen sich nicht blicken lassen.
13.
L udolf von Fuchsheim hatte bereits einigen seiner Bauern das Vieh aus den Ställen holen und schlachten lassen müssen, um seine Gäste bewirten zu können. Während er zusehen konnte, wie er unaufhaltsam an den Bettelstab geriet, verfluchte er die Leute, die ihm die Kosten einer fürstlichen Hochzeit aufhalsten, ohne ihn im Geringsten zu unterstützen. An diesem Tag hätte er sich dem Fürstbischof von Würzburg, Herrn Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach und sogar dem Sultan der Osmanen als Vasall angedient, wenn er dafür mit einem dicken Beutel Gold belohnt worden wäre.
Seine Tochter machte sich ganz andere Sorgen. Da Trudi von dem Ansbacher als Tischdame eingefordert worden war, fand Bona vor der Trauung keine Gelegenheit mehr, mit ihrer Freundin zu reden. Erst als ihr geistlicher Verwandter den Trausegen über sie und ihren Ehemann gesprochen hatte und man sie in die große Halle führte, gelang es ihr, Trudi am Ärmel zu zupfen.
»Vergiss bitte nicht, was du mir versprochen hast!«
Trudi lächelte ihr aufmunternd zu. »Sei unbesorgt!«
Aber sie war nicht so zuversichtlich, wie sie sich gab. Sie würde den fraglichen Gegenstand aus seinem Versteck im alten Turm holen und ihn unbemerkt in Bonas Brautgemach schmuggeln müssen. Dazu spürte sie noch immer die Nachwehen des schlimmen Rausches, den sie sich am Vorabend angetrunken hatte. Doch weder das eine noch das andere durfte sie daran hindern, Bona zu helfen.
Marie ging es nicht viel besser als ihrer Tochter, auch wenn sie dem Wein nur mäßig zugesprochen hatte. Eigentlich hatte sie bei den Gästen sitzen und Gespräche mit möglichen Verbündeten anknüpfen wollen. Stattdessen musste sie sogar während des Mahles in der Küche oder im Keller nach dem Rechten sehenund die Pflichten einer Gastgeberin erfüllen, denn die Schwester des Fuchsheimers hockte bereits in der Frühe betrunken in einem Winkel der Küche und gab sinnlose und widersprüchliche Anweisungen. Da Trudi vom Ansbacher in Beschlag genommen worden war, hatte Marie Lisa und Hildegard gebeten, ihr zu helfen. Die beiden Mädchen beaufsichtigten die Mägde und Knechte, die das Mahl auftrugen, und sortierten die Speisen nach Aussehen und Geschmack für die verschiedenen Tische. Sorgfältig achteten sie darauf, dass Herr Albrecht von Brandenburg-Ansbach, der römische Prälat, das Brautpaar, der Brautvater und einige herausragende Gäste nur das beste Essen erhielten. Niedriger im Rang stehenden Herrschaften konnte es durchaus geschehen, dass sie mit einem halbverkohlten Stück Braten oder
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