Die Tochter der Wanderhure
anmerken, sondern füllte seinen Becher erneut. Der Markgraf trank, ohne zu merken, dass Trudi es nicht tat. Als er diesmal aufstieß, klang es etwas gequält.
»Dieser Wein bekommt mir nicht so gut wie jener, der am Tisch ausgeschenkt wurde. Das ist ja auch ein arg saurer Hund«, stöhnte er und griff sich an den Bauch.
»Ich glaube, ich muss zum Abtritt!«
In seinem betrunkenen Zustand übersah er den Eimer in der Ecke, der ihm zur Verfügung gestellt worden war, damit er sichnicht wie ein Knecht durch die düsteren Gänge der Burg zum Abtritt tasten musste.
Trudi jedoch hatte das Gefäß entdeckt und machte den Markgrafen darauf aufmerksam. »Der Weg bleibt Euch erspart, denn Ihr könnt diesen Eimer benützen.« Es klang leicht spöttisch und sehr zufrieden, denn in seinem jetzigen Zustand stellte Herr Albrecht Achilles keine Gefahr mehr für ihre Tugend dar.
Unterdessen wankte der Markgraf zu dem Kübel und hielt den Kopf darüber.
Einen Herzschlag später bedauerte Trudi es, ihn nicht aus dem Raum geschickt zu haben, denn als er zu erbrechen begann, rebellierte auch ihr Magen, und sie musste ihm den Platz über dem Kübel streitig machen.
12.
A m nächsten Morgen besuchten alle Hochzeitsgäste die Messe, obwohl nichtjeder in der Lage war, ihr mit der gebotenen Inbrunst zu folgen. Da es sich um die Hochzeit seiner Tochter handelte, ließ Ludolf von Fuchsheim die heilige Handlung nicht von seinem Burgkaplan durchführen. Stattdessen hatte er einen entfernten Verwandten an seine Stelle gesetzt, der im Bambergischen eine hübsche Pfründe sein Eigen nannte. Obwohl der Priester hocherfreut war, vor so hohen Herren die Messe lesen zu dürfen, hatte er sich der Höflichkeit halber an Cyprian Pratzendorfer, den Prälaten aus Rom, gewandt und ihn gefragt, ob er das Hochamt halten wolle.
Pratzendorfer hatte es zeit seines Lebens mehr mit der Politik als mit dem Gebetbuch gehalten. Daher wusste er sich zwar geziert auf Latein auszudrücken, aber die Worte, die ein Priester vor dem Altar sprechen musste, waren ihm längst entfallen. Deshalb lehnte er dankend ab.
»Übernehmt Ihr dieses Amt, mein Freund. Schließlich hat Herr Ludolf Euch darum gebeten!«
Man konnte dem Priester ansehen, wie stolz er war, von einem hohen Kirchenmann von Gleich zu Gleich angesprochen zu werden, und er gab sein Bestes, um vor den kritischen Augen des Prälaten zu bestehen. Sein Einsatz hätte jedoch eine aufmerksamere Schar an Gläubigen verdient, denn die meisten Gäste knieten mit gequälten Mienen auf ihren Plätzen und gähnten um die Wette. Dabei entfuhr so manchem am Vortag geschundenen Magen ein heftiger Rülpser.
Marie und Michel litten zwar weniger unter der Wirkung des Weins, hatten aber ebenfalls kein Ohr für die hallende Predigt des Priesters. Ihre Blicke suchten Trudi, die ganz vorne neben dem Ansbacher Markgrafen auf einem der Ehrenplätze saß und trotz ihrer erkennbaren Erschöpfung eine recht zufriedene Miene zeigte. Das empfand Marie wie einen Schlag ins Gesicht. Sie hatte vor Sorge um ihre Älteste nur schlecht geschlafen und erwartet, Trudi am Morgen trösten zu müssen, weil der Markgraf so selbstherrlich über diese bestimmt hatte. Nun fragte sie sich, ob Trudi zu jenen leichtfertigen Frauenzimmern gehörte, für die allein die Leistung eines Mannes im Bett zählte. Wenn es so war, würde sie noch größere Schwierigkeiten mit ihrer Ältesten bekommen. Ein Mädchen, das einmal vom Kelch der Leidenschaft genippt hatte, würde diese Erfahrung wiederholen wollen.
»Wir sollten sie schnellstens verheiraten«, flüsterte sie Michel zu.
Er nickte und schüttelte dann den Kopf. »Das wäre das Beste, aber wir müssen abwarten, ob diese Nacht Folgen zeitigt.«
»Wärst du vielleicht noch stolz darauf, wenn Trudi diesem Herrn dort einen Bastard gebiert?«, fragte Marie so laut, das einige Damen sich empört zu ihr umdrehten.
»Sei leise, sonst störst du die Messe«, bat Michel sie und verfluchte sich gleichzeitig, weil er seine Frau noch nicht in TrudisGeheimnis eingeweiht hatte. Ihm schnürte es das Herz ab, weil sein kleines Mädchen sich zum zweiten Mal gegen seinen Willen einem Mann hatte hingeben müssen. Dennoch fühlte er sich um Trudis willen erleichtert. Ein dezenter Hinweis auf die Hochzeit auf Fuchsheim und die Anwesenheit des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach würde selbst die strengste Schwiegermutter entwaffnen.
Trudi ahnte nichts von den Sorgen, die ihre Eltern sich um ihretwillen machten, und
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