Die Tochter der Wanderhure
ein Wettreiten mit ihr einlassen, denn ihre Stute schlägt sowohl auf kurzen wie auch auf langen Strecken jeden Hengst um Längen. Außerdem ist sie beherzt wie keine Zweite. Als Kinder haben wir öfter miteinander gespielt, und als ich in einen Brunnenschacht eingebrochen und durch üble Gerüche bewusstlos geworden bin, wollte Bona zur Burg zurücklaufen, um Hilfe zu holen. Aber Trudi hat das Seil, mit dem wir gespielt hatten, oben festgemacht und ist zu mir hinabgestiegen.«
Eichenloh zuckte mit den Achseln. »Das war mehr als unvernünftig. Ihr hättet beide tot sein können.«
»Sie erklärte später, sie habe so lange die Luft angehalten, bis sie mir das Seilende um die Brust gebunden hatte und wieder nach oben gestiegen war. So haben mich die beiden Mädchen hochziehenkönnen.« Hardwin schluckte, denn er begriff nun erst, dass sich Bona fast genauso beherzt gezeigt hatte. Wäre sie kopflos davongelaufen, hätte Trudi allein ihn niemals retten können.
Während Junker Peter spöttisch die Lippen verzog, packte Otto von Henneberg den Steinsfelder an der Hemdbrust. »Eure Loblieder auf dieses Miststück könnt Ihr Euch sparen! Die wird mir für die Narbe noch bezahlen, das schwöre ich Euch.«
»Davon solltet Ihr Abstand nehmen. Trudi hat viele Freunde, die für sie eintreten werden.«
»Euch vielleicht? Da lache ich doch!« Graf Otto versetzte Hardwin einen Stoß und stolzierte davon.
Eichenloh bewahrte Steinsfeld vor einem Sturz. »Nehmt es Otto nicht übel. Mit einer solchen Narbe im Gesicht würde jeder auf Rache sinnen. Es geht ja nicht um das Leben des Mädchens oder ihr Gesicht. Aber eine derbe Tracht Prügel, nach der es einige Wochen nicht sitzen kann, hätte dieses scharfzüngige Ding reichlich verdient.«
Er ertappte sich bei der Vorstellung, Trudi diese Schläge selbst versetzen zu dürfen. Noch hatte er ihre boshaften Bemerkungen in Dettelbach nicht vergessen, und die Verletzung, die sie seinem Freund zugefügt hatte, nahm er ihr deswegen doppelt übel.
»Manchmal hat sie eine scharfe Zunge, das gebe ich zu. Aber sie besitzt ein Herz aus Gold.« Hardwin wunderte sich selbst, dass er so von Trudi schwärmte. Er mochte sie nicht halb so gern wie Bona, doch wenn es eine gab, die er heiraten würde, dann war sie es, und das trotz der Sache mit Gressingen. Daher war er recht zufrieden gewesen, als seine Mutter Trudi Adler als mögliche Braut für ihn bezeichnet hatte.
Da Hardwin seinen Gedanken nachhing, musterte Junker Peter ihn ungeniert. Steinsfeld war ein großer Mann, der ihn um mehr als einen halben Kopf überragte, aber er wirkte noch schlaksig und unreif. Dazu passte sein längliches Gesicht, das ein wenig an ein Pferd erinnerte. Alles in allem war der junge Mann wederhässlich noch wirklich hübsch, und seine Kleidung war sauber, aber eher für ländliche Feste geeignet. Damit war er wohl der Einzige außer ihm selbst, der nicht mit Äußerlichkeiten prunkte.
Hardwin erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Eichenloh auf Henneberg und sah ihn fragend an. »Ich habe sagen hören, Ihr wäret ein großer Kriegsmann.«
»So groß bin ich nun auch wieder nicht. Mit Euch kann ich zum Beispiel nicht mithalten.«
Der junge Mann grinste. »Meine Mutter nennt mich manchmal ihr langes Elend. Aber ich habe Euren Ruf gemeint, nicht Eure Körpergröße. Wisst Ihr, ich habe gelernt, mit Schwert und Lanze umzugehen, und ich habe auch schon mit einem Pulverrohr geschossen. Aber einem echten Kampf musste ich mich noch nie stellen.«
»Gelüstet es Euch etwa danach?«, fragte Eichenloh.
»Oh ja! Ich werde einmal meinen eigenen Grund und Boden verteidigen müssen, und deswegen würde ich gerne wissen, ob ich zum Krieger tauge.«
»Hat es Euch der Herr nicht gelehrt, dem Ihr zur Erziehung übergeben worden seid?«
Hardwin zuckte die Schultern. »Mein Vater ist schon sehr lange tot, und meine Mutter hat mich daheim erziehen lassen. Jetzt drängt es mich, ein wenig mehr von der Welt zu sehen.«
»Setzt Euch auf Euer Pferd und besucht Leute, das ist weniger gefährlich, als Euch auf ein Schlachtfeld zu wagen.« Eichenloh wurde des Gesprächs überdrüssig und wandte sich ab, um den Platz zu verlassen.
Doch Hardwin hielt ihn auf. »Würdet Ihr mich unter Eure Söldner aufnehmen? Das habt Ihr mir doch auf Henneberg angeboten! Ich falle Euch gewiss nicht zur Last.«
Er wunderte sich selbst, dass er ausgerechnet Eichenloh darum bat, dessen Manieren wirklich nicht die besten waren. Dieser war jedoch
Weitere Kostenlose Bücher