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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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Die Frau ist leicht zum Mann hin gewandt, beide unterdrücken ein Lachen, als hätte einer von ihnen gerade einen Witz gemacht. Die Hand der Mutter ruht auf dem Kopf eines blonden Mädchens, zwischen ihnen steht ein Junge etwa in Pauls Alter, der starr und ernst in die Kamera schaut. Das Bild hatte etwas seltsam Vertrautes. Paul schloß die Augen und war vor Erschöpfung den Tränen nah.
    In der Morgendämmerung, die durch die Fenster hereinkroch, wachte er auf und sah die Silhouette seines Vaters, der im schwachen Licht stand und zu ihm sprach.
    »Paul«, sagte er. »Was zum Teufel …«
    Er stand auf und hatte Mühe, sich zu erinnern, wo er war und was passiert war. Er sah sich um, und plötzlich überkam ihn eine tiefe Angst. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Er hielt seine Hand vor die Augen, um nicht vom Morgenlicht geblendet zu werden.
    »Großer Gott, Paul«, sagte sein Vater. »Was ist denn hier passiert?« Schließlich trat er aus dem Licht heraus und ging |289| in die Hocke. Aus dem Chaos am Boden fischte er das Foto mit der fremden Familie und betrachtete es eine Weile. Dann lehnte er sich gegen die Wand, das Foto noch immer in der Hand, und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.
    »Was ist hier passiert?« fragte er wieder, ein wenig leiser.
    »Ein paar Freunde waren hier. Es ist alles ein bißchen außer Kontrolle geraten.«
    »Ein bißchen.« Er rieb sich mit der Hand die Stirn. »War Duke dabei?«
    Paul zögerte, dann nickte er. Er kämpfte mit den Tränen. Jedesmal wenn er auf die verwüsteten Fotos schaute, krampfte sich etwas in seiner Brust zusammen.
    »Warst du das?« fragte sein Vater mit einer sonderbar sanften Stimme.
    Paul schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich habe sie nicht daran gehindert.«
    Sein Vater nickte. »Es wird Wochen dauern, bis das hier wieder so aussieht wie vorher«, sagte er schließlich. »Das wird deine Aufgabe sein. Du wirst mir dabei helfen, die Ordner neu zu sortieren. Eine Menge Arbeit, die da auf uns zukommt – das wird viel Zeit kosten. Die Proben kannst du erst mal vergessen.«
    Paul nickte, aber der Krampf in seiner Brust wurde immer schmerzhafter. »Du brauchtest ja nur einen Vorwand, um mir das Gitarrespielen zu verbieten.«
    »Das stimmt nicht, Paul. Du weißt, daß das nicht stimmt, verdammt.« Sein Vater schüttelte den Kopf, und Paul hatte Angst, daß er nun aufstehen und gehen würde, statt dessen schaute er auf das Foto, das er in der Hand hielt.
    »Weißt du, wer das ist?« fragte er.
    »Nein«, antwortete Paul, doch während er sprach, wurde ihm klar, daß er es wußte. Er zeigte auf den Jungen auf den Treppenstufen. »Bist du das etwa?«
    »Ja. Da war ich in deinem Alter. Das hinter mir ist mein Vater. Und weißt du, wer neben mir steht? Das ist meine |290| Schwester June. Es ist das letzte Foto, das von June gemacht wurde. Sie hatte einen Herzfehler und starb noch im selben Herbst. Fast wäre auch meine Mutter daran zerbrochen. Sie kam nur schwer darüber hinweg.«
    Paul sah noch einmal auf das Bild, nun mit anderen Augen. Diese Menschen waren also keine Fremden, sondern sein eigen Fleisch und Blut.
    Paul sah sich die Frau mit dem unterdrückten Lachen genauer an, diese Frau, die er nie kennengelernt hatte – seine Großmutter. Dukes Oma lebte in einer kleinen Kammer unter dem Dach, buk Apfelkuchen und guckte fast den ganzen Nachmittag Seifenopern.
    »Ist sie gestorben?« fragte er seinen Vater.
    »Meine Mutter? Ja, Jahre später. Wie auch dein Großvater. Dabei waren sie beide gar nicht so alt. Meine Eltern führten ein hartes Leben, Paul. Sie hatten kaum Geld. Damit meine ich nicht, daß sie nicht reich waren. Ich will damit sagen, daß sie an manchen Tagen nicht wußten, ob es am Abend etwas zu essen geben würde. Meinen Vater machte das fertig, denn er arbeitete schwer. Meine Mutter machte es ebenfalls fertig, weil sie nicht viel für June tun konnten. Als ich in deinem Alter war, erhielt ich die Zulassung für die städtische Schule. Dann starb June. Und ich gab mir ein Versprechen: Ich würde meinen Weg gehen und die Welt in Ordnung bringen.« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich habe ich dieses Ziel nie wirklich erreicht. Aber schau dich um, Paul. Uns fehlt es an nichts. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, ob wir genug zu essen haben. Du kannst dir aussuchen, auf welches College du gehen willst. Aber der Dank dafür ist, daß du dich mit Drogen betäubst und dein Leben wegschmeißt.«
    Paul konnte nicht antworten. Die

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