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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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gute Nachricht ist es allemal.« Er dachte an den großen, athletischen Stuart Wells. »Stramm« war das Wort, das ihm in den Sinn kam. Er war Atmungstherapeut und schon seit Jahren mit Rosemary zusammen. Doch sie hatte ihn warten lassen, bis sie mit der Schule fertig war. Und er war geduldig gewesen. »Ich freue mich für dich, Rosemary. Stuart ist ein feiner Kerl. Und er liebt Jack. Hat er dort Arbeit?«
    »Noch nicht. Aber er ist auf der Suche. Sein Vertrag hier läuft im Juli aus.«
    »Wie ist der Arbeitsmarkt in Harrisburg?«
    »Geht so. Aber ich mache mir keine Sorgen. Stuart ist klug.«
    »Das wird er auch sein müssen.«
    »Du bist sauer.«
    »Nein, überhaupt nicht. Doch diese Nachrichten machen mich traurig. Traurig und alt.«
    Sie lachte. »Steinalt?«
    Nun mußte auch er lachen. »Viel, viel älter.«
    Einen Moment lang sagten sie nichts. »Es ist alles auf einmal gekommen«, sagte Rosemary. »Alles in der letzten Woche. Ich wollte nichts vom Job erzählen, bis ich nicht sicher war. Und als ich den Job bekommen habe, haben Stuart und ich uns entschieden zu heiraten. Ich weiß, daß das ziemlich spontan erscheint.«
    |416| »Ich mag Stuart«, sagte David. »Ich freue mich schon darauf, ihm zu gratulieren.«
    Sie lächelte. »Ich habe mich schon gefragt, ob du mich überhaupt für die Hochzeit hergeben wirst.«
    Er blickte sie an, schaute auf ihre blasse Haut und sah das Glücksgefühl, das sie nicht länger zurückhalten konnte, in ihrem Lächeln blitzen.
    »Es wäre mir eine Ehre«, sagte er in feierlichem Ton.
    »Wir werden hier feiern. Im kleinen Kreis. In zwei Wochen.«
    »Du scheinst es ja wirklich eilig zu haben.«
    »Da muß ich mir nicht groß Gedanken machen«, sagte sie. »Es fühlt sich einfach alles goldrichtig an.« Sie schielte auf die Uhr und seufzte. »Ich sollte jetzt besser gehen.« Sie stand auf. »Komm, Jack.«
    »Wenn du willst, kann ich ihn im Auge behalten, während du dich umziehst.«
    »Damit tust du mir einen riesigen Gefallen. Danke.«
    »Rosemary?«
    »Ja?«
    »Du wirst mir doch ab und zu Fotos schicken, oder? Von Jack, wie er größer wird. Von euch beiden in eurem neuen Zuhause.«
    »Natürlich.« Sie verschränkte ihre Arme und trat gegen die Treppenkante.
    »Danke«, sagte er nur, und wieder einmal beunruhigte es ihn, wie er es geschafft hatte, an seinem eigenen Leben vorbeizuleben, beherrscht von Kamera und Kummer. Man ging davon aus, daß die schlechten Kritiken der Grund waren, warum er nicht mehr fotografierte, daß es etwas mit der dunkelhaarigen, blauäugigen Dame in Pittsburgh zu tun habe, die einen wenig schmeichelhaften Artikel geschrieben hatte. Die Gunst der Kritiker war dahin, spekulierte man, und so habe er sich entmutigen lassen. Niemand würde ihm glauben, daß ihn die Fotografie schlicht nicht mehr interessierte. |417| Dabei war es die Wahrheit. Er hatte keine Kamera mehr angefaßt, seitdem er an der Stelle gestanden hatte, wo die beiden Flüsse zusammenflossen. Er hatte der Kunst und dem Handwerk den Rücken gekehrt, dem komplizierten und erschöpfenden Anspruch, die Welt in etwas anderes zu verwandeln, über das Bild eine Welt entstehen zu lassen und über die Welt ein Bild. Manchmal stolperte er über einige seiner Bilder – in Büros oder Wohnungen –, und ihre karge Schönheit erschreckte ihn, ihre technische Präzision oder gar die verzweifelte Suche, die ihre Leere ausdrückte.
    »Du kannst die Zeit nicht aufhalten«, sagte er nun. »Du kannst das Licht nicht einfangen. Du kannst nur dein Gesicht nach oben wenden und es auf dich herabscheinen lassen. Wie auch immer, Rosemary. Ich würde gerne ein paar Fotos bekommen, von dir, von Jack. Sie würden mir wenigstens eine Vorstellung geben. Sie würden mir sehr viel Freude bereiten.«
    »Ich werden dir viele schicken«, versprach sie und faßte ihn an der Schulter. »Ich werde dich damit überschwemmen.«
    Während sie sich umzog, saß er auf der Treppe faul in der Sonne. Jack wühlte im Boden.
Du solltest es ihr sagen.
Er schüttelte den Kopf. Nachdem er Caroline gefunden und ihr Haus observiert hatte wie ein Voyeur, hatte er einen Rechtsanwalt in Pittsburgh aufgesucht und die beiden Konten eingerichtet. Wenn er starb, würden sie zugänglich sein. Für Phoebe wäre gesorgt, und Norah müßte es nie erfahren.
    Rosemary kam zurück, und sie roch nach Elfenbeinseife. Sie trug einen Rock und flache Schuhe. Nachdem sie Jack einen türkisfarbenen Rucksack aufgeschnallt hatte, nahm sie ihn bei der Hand. Sie

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