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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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als sie in den Kreißsaal gebracht wurde, wartete er draußen. Dies war zu persönlich, dort hatte er nichts zu suchen. Und doch war er der erste an Rosemarys Seite, der erste, der Jack hielt. Und so liebte er den Jungen, als wäre es sein eigener Sohn.
    »Du riechst komisch«, sagte Jack nun und schmiegte sich an seine Brust. Um sie herum blühte der Garten: eine verschwenderische Fülle, ein unbändiges Farbfeuerwerk.
    »Das ist mein altes, stinkiges T-Shirt«, sagte David.
    »Gehst du laufen?« fragte Rosemary. Sie saß auf ihren Fersen und streifte sich den Dreck von den Händen. Sie war schmal geworden zuletzt, fast knöchern, und er machte sich Sorgen über das Tempo, mit dem sie Schule und Job meisterte. Sie wischte sich einen feinen Schweißfilm von der Stirn und hinterließ dort eine Dreckspur.
    »Ja. Ich kann mir diese Versicherungsunterlagen keine Minute länger ansehen.«
    »Ich dachte, du wolltest das jemanden für dich machen lassen?«
    »Werde ich. Sie wird es auch bestimmt gut machen, aber sie kann nicht vor nächster Woche anfangen.«
    Rosemary nickte nachdenklich. Ihre blassen Augenlider wurden vom Licht berührt. Sie war jung, gerade mal zweiundzwanzig, doch sie war hart im Nehmen und wußte, was sie wollte. Was ihre Selbstsicherheit anging, schien sie um Jahre älter zu sein.
    |409| »Hast du heute abend Schule?« fragte er, und sie nickte.
    »Es ist meine allerletzte Stunde. 27. Juli.«
    »Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen.«
    »Du warst auch ziemlich beschäftigt.«
    Er nickte. Das Datum erzeugte ein vages Gefühl von Schuld und Unruhe. 27. Juli – es war schwer nachzuvollziehen, wie die Zeit so schnell vergangen war. Rosemary war zur Schule zurückgekehrt, nachdem Jack auf der Welt war; im selben trüben Januar hatte er bei seiner alten Praxis gekündigt: Ein Mann, der seit fünfundzwanzig Jahren sein Patient gewesen war, wurde abgewiesen, da er nicht krankenversichert war. Daraufhin hatte er seine eigene Praxis eröffnet und jeden hereingelassen, der zu ihm kam – ob versichert oder nicht. Es ging ihm nicht ums Geld, nicht mehr. Paul hatte das College abgeschlossen, und seine Schulden waren längst abbezahlt. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Heute wurde er manchmal – wie zu guten alten Zeiten – in Naturalien bezahlt, mit Gartenarbeit oder was auch immer der Betreffende anzubieten hatte. Er hatte sich überlegt, daß er so noch etwa zehn Jahre weitermachen, jeden Tag Patienten behandeln und sich dann langsam zurückziehen würde, bis sein Lebensradius nicht mehr über dieses Haus, diesen Garten und die Wege hinausreichte, die er zum Supermarkt oder Friseur zurücklegen mußte. Norah konnte von ihm aus weiter durch die Welt fliegen wie eine Libelle – für ihn war das nichts. Er schlug nun Wurzeln, und die gingen tief.
    »Ich habe heute noch meine Abschlußprüfung in Chemie«, sagte Rosemary und streifte sich die Handschuhe ab. »Und dann – juhu – bin ich endlich durch.« Bienen summten auf dem Geißblatt, und Jack streckte sich nach den flauschigen, ätherischen Blüten der frisch gepflanzten Mimose. Rosemary pfiff ihn in scharfem Ton zurück. »Es gibt da noch etwas anderes, das ich dir sagen muß«, sagte sie, während sie neben ihm auf der warmen Betontreppe Platz nahm und an ihren Shorts herumnestelte.
    |410| »Das klingt sehr ernst.«
    Sie nickte. »Das ist es auch. Man hat mir gestern eine Stelle angeboten. Eine gute Stelle.«
    »Hier in der Nähe?«
    Sie schüttelte den Kopf, lächelte und winkte Jack, der gerade versuchte, ein Rad zu schlagen, und der Länge nach auf den Rasen fiel. »Eben nicht. In Harrisburg.«
    »Nicht weit weg von deiner Mutter«, sagte er, und sein Herz wurde schwer. Er hatte gehofft, daß sie etwas in der Nähe finden würde. Dabei war es immer sehr wahrscheinlich gewesen, daß sie umziehen würde; vor zwei Jahren, nachdem ihr Vater sehr plötzlich verstorben war, hatte sie sich mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester versöhnt, die sich nun um sie sorgten und hofften, daß sie zurück nach Hause käme und Jack bei ihnen großzöge.
    »Ja, das stimmt. Es ist genau der richtige Job für mich – vier mal zehn Stunden in der Woche. Sie werden mir auch die Abendschule bezahlen. Ich könnte nebenher eine Ausbildung zur Physiotherapeutin machen. Und vor allen Dingen hätte ich Zeit für Jack.«
    »Und Unterstützung«, sagte er. »Deine Mutter würde dich entlasten, genau wie deine Schwester.«
    »Ja. Das wäre wirklich schön. Und sosehr

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