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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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er ein Bankkonto auf ihren Namen hinterlassen habe. Caroline preßte den Hörer an ihr Ohr, und etwas in ihr sank bei dieser Nachricht in dunkle Tiefen. Sie beobachtete, wie die wenigen verbliebenen Blätter an den Ahornbäumen im kalten Morgenlicht flatterten. Meilenweit entfernt sprach der Anwalt weiter. Es sei ein Sparkonto: David hätte es auf ihrer beider Namen laufen lassen, und so falle es nicht unter die testamentarische Vollstreckung. Am Telefon könnten sie ihr nicht sagen, wieviel Geld auf dem Konto sei. Caroline müsse in die Kanzlei kommen.
    Nachdem sie aufgelegt hatte, ging sie zurück auf die Veranda, wo sie lange Zeit in der Schaukel saß und versuchte, die Nachricht zu verarbeiten. Es schockierte sie, daß David sie auf diese Weise in Erinnerung behalten hatte. Es schockierte sie mehr als die Tatsache, daß er gestorben war. Was hatte sie sich eingebildet? Daß sie und David immer so weitermachen, ihre eigenen Leben führen würden und doch auf ewig durch den Augenblick in der Praxis verbunden wären? Daß sie ihn irgendwann, irgendwie, wann immer es ihr paßte, ausfindig machen und ihn mit seiner Tochter zusammenführen würde? Die Autos fuhren in einem steten Strom den Berg hinunter. Sie wußte nicht, was sie tun sollte; schließlich ging sie einfach wieder hinein, machte sich für die Arbeit fertig, ließ den Brief in die oberste Schublade zwischen das Durcheinander aus Gummis und Büroklammern gleiten und wartete darauf, daß Al nach Hause kam und ihr dabei half, Klarheit zu erlangen. Bislang hatte sie es nicht erwähnt – er war so müde gewesen –, doch die unausgesprochenen Neuigkeiten standen zwischen ihnen, genau wie Lindas Sorgen um Phoebe.
    |448| Durch die doppelt verglasten Türen betraten sie den Korridor. Am hinteren Ende des Saals befand sich die Tanzfläche, über der sich eine Diskokugel drehte und grelle Lichtstreifen an Decke, Wände und auf die nach oben gewandten Gesichter warf. Es lief Musik, doch niemand tanzte. Phoebe und Robert standen am Rand der Menge und sahen den Lichtern zu, wie sie über die leere Fläche glitten.
    Al hängte ihre Mäntel auf und ergriff dann – zu Carolines Überraschung – ihre Hand. »Erinnerst du dich an den Tag im Park, den Tag, an dem wir beschlossen zu heiraten? Jetzt zeigen wir denen mal, was Rock ’n’ Roll ist. Was meinst du?«
    Caroline spürte, wie ihr die Tränen kamen. Sie dachte an die Blätter, die an diesem weit zurückliegenden Tag wie Banknoten geraschelt hatten, an den klaren Himmel, die Sonne und das Summen der Bienen aus der Ferne. Sie hatten kreuz und quer auf dem Gras getanzt, und Stunden später im Krankenhaus hatte sie Als Hand ergriffen und gesagt: »Ja, ich möchte dich heiraten, ja.«
    Al ließ seine Hand um ihre Hüfte gleiten, und sie schritten auf die Tanzfläche. Caroline hatte vergessen, wie leicht und fließend ihre beiden Körper sich zusammen bewegten, wie sehr das Tanzen sie befreite. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, atmete sein herbes Aftershave ein, dem noch der Geruch von Maschinenöl anhaftete. Wange an Wange, preßte Al seine Hand gegen ihren Rücken. Sie drehten sich, und langsam schoben sich andere Gäste auf die Tanzfläche und lächelten in ihre Richtung. Caroline kannte fast jeden im Saal, die Mitarbeiter der Tagesstätte, die anderen Elternpaare von Upside Down, die Bewohner der Einrichtung nebenan. Phoebe stand auf einer Warteliste für ein Zimmer dort, ein Ort, wo sie mit mehreren Erwachsenen und einem Betreuer zusammen leben würde. Das schien in vielerlei Hinsicht ideal – Phoebe würde eigenständiger werden und hätte möglicherweise hier eine neue Zukunft –, doch im Grunde konnte Caroline sich nicht vorstellen, von Phoebe getrennt |449| zu leben. Als sie sich eingetragen hatten, war ihnen die Warteliste sehr lang erschienen, doch im letzten Jahr war Phoebes Name stetig nach vorn gerückt. Caroline würde bald eine Entscheidung treffen müssen, so oder so. Sie sah kurz zu Phoebe hinüber, die mit Robert die Tanzfläche betrat und ein Lächeln auf dem Gesicht trug, während ihr dünnes Haar von den hellroten Klämmerchen zurückgehalten wurde.
    Mit geschlossenen Augen tanzte sie zu drei weiteren Liedern mit Al, ließ sich fallen, folgte seinen Schritten. Er war ein guter Tänzer, ruhig und sicher, und die Musik schien durch sie hindurchzuströmen wie ein Fluß durch die Erde. Auch mit Phoebes Stimme passierte ihr das manchmal, wenn die reinen Töne ihres Gesangs durch die Räume

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