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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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würde. Dann fühlte er sich schlecht dabei, sich dies zu fragen – warum sollte sie nicht heiraten oder irgendwas anderes tun? Er dachte an das Gästezimmer in dem Haus seiner Eltern, wo seine Großmutter geschlafen hatte, als er ein Junge war; dies wäre Phoebes Zimmer gewesen. Sie hätte es mit ihrer Musik und ihren Sachen gefüllt. Phoebe legte das Album auf, drehte die Lautstärke ihres kleinen Plattenspielers auf, der »Love, Love Me Do« schmetterte, und sang mit halbgeschlossenen Augen mit. Sie hatte eine schöne Stimme, fiel Paul auf, während er die Lautstärke ein bißchen herunterdrehte und ihre anderen Alben durchsah. Es war viel Popmusik dabei, aber sie hatte auch Symphonien.
    »Ich mag Posaunen«, sagte sie und prustete ein paar Töne, und als Paul lachte, fiel auch sie ein. »Ich liebe Posaunen über alles«, seufzte sie.
    »Ich spiele Gitarre«, sagt er. »Wußtest du das?«
    Sie nickte. »Meine Mutter hat es mir erzählt. Wie John Lennon.«
    Er lächelte. »Ein bißchen«, sagte er und wunderte sich, daß er sich mitten in einem Gespräch wiederfand. Er hatte sich an ihre Art zu reden gewöhnt, und je länger er sich mit Phoebe unterhielt, desto mehr war sie sie selbst – absolut unvergleichlich. »Hast du schon einmal etwas von Andres Segovia gehört?«
    »Mmh.«
    »Er ist wirklich klasse. Mein absoluter Lieblingsgitarrist. Irgendwann spiele ich dir mal seine Musik vor, okay?«
    »Ich mag dich, Paul. Du bist lieb.«
    |509| Er merkte, wie er lächelte, und fühlte sich geschmeichelt und angenehm berührt. »Danke«, sagte er. »Ich mag dich auch.«
    »Aber ich möchte nicht mit dir zusammen leben.«
    »Das ist schon okay. Ich lebe auch nicht bei meiner Mutter. Ich lebe in Cincinnati.«
    Phoebes Gesicht leuchtete. »Ganz allein?«
    »Ja«, sagte er und wußte, daß Michelle fortgegangen sein würde, wenn er wiederkäme. »Ganz allein.«
    »Du Glückspilz.«
    »Das bin ich wohl«, sagte er ernst und wußte plötzlich, daß er tatsächlich einer war – daß die Sachen, die er als selbstverständlich ansah, der Stoff für Phoebes Träume war. »Ich bin ein Glückspilz, das ist wahr.«
    »Ich bin auch ein Glückspilz«, sagte sie zu seiner Überraschung. »Robert hat einen guten Job und ich genauso.«
    »Was hast du für einen Job?« fragte Paul.
    »Ich kopiere.« Sie sagte dies mit leisem Stolz. »Unmengen von Kopien.«
    »Gefällt es dir?«
    Sie lächelte. »Max arbeitet dort. Sie ist meine Freundin. Wir haben Papier in dreiundzwanzig verschiedenen Farben.«
    Sie summte zufrieden vor sich hin, während sie vorsichtig die erste Platte verstaute, um eine neue auszusuchen. Ihre Bewegungen waren nicht schnell, aber sie waren zweckmäßig und zielgerichtet. Paul konnte sie sich gut im Copyshop vorstellen, wie sie ihre Arbeit verrichtete, mit ihrer Freundin herumalberte und sich ab und zu an den Farben des Regenbogens auf dem Papier oder über einen erledigten Auftrag freute. Unten hörte er das Gemurmel der beiden Frauen, die besprachen, was zu tun war. Mit großem Schamgefühl erkannte er, daß sein Mitleid für Phoebe ebenso wie die Vermutung seiner Mutter, daß sie in Abhängigkeit lebte, dumm und unbegründet gewesen waren. Phoebe mochte sich, wie sie war, und sie mochte ihr Leben; sie war glücklich. All die Mühen, |510| die er auf sich genommen hatte, all die Wettbewerbe und Preise, der lange und sinnlose Kampf, sich selbst zu gefallen und auch seinen Vater zu beeindrucken, all das wirkte – wenn man es neben Phoebes Leben stellte – nicht weniger dumm.
    »Wo ist dein Vater?« fragte er.
    »Bei der Arbeit. Er fährt Bus. Magst du ›Yellow Submarine‹?
    »Ja. Sogar sehr.«
    Phoebe strahlte übers ganze Gesicht und legte das Album auf.

|511| 24. Kapitel
    1. September 1989
    A US DER KIRCHE DRANGEN KLÄNGE IN DEN SONNIGEN Tag. Für Paul, der gleich draußen vor den blaßroten Türen stand, war die Musik fast sichtbar; zwischen den Blättern der Pappelbäume hindurch schien sie auf den Rasen zu segeln wie Flocken von Licht. Die Organistin war eine Freundin, eine Peruanerin namens Alejandra, die ihr kastanienbraunes Haar in einem langen Pferdeschwanz trug und in den trostlosen Tagen nach Michelles Auszug mit Suppen, Eistee und Aufmunterungen in seiner Wohnung aufgetaucht war. »Steh auf«, hatte sie in forschem Ton gesagt, die Vorhänge und Fenster aufgerissen und das dreckige Geschirr in die Spüle geräumt. »Steh auf, es bringt nichts, zu Hause rumzuhocken und Trübsal zu blasen – schon gar

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