Die Tochter des Fotografen
nicht wegen einer Flötistin. Die sind immer sehr launisch, wußtest du das nicht? Es überrascht mich, daß sie es hier so lange ausgehalten hat. Zwei Jahre, also ehrlich, das muß Rekord sein.«
In diesem Augenblick rieselten Alejandras Töne herab, es folgte ein helles Crescendo, dann stiegen sie wieder empor und schwebten für einen Moment spannungsgeladen im Sonnenlicht. Seine Mutter erschien in der Tür, lachte, ihre Hand ruhte sanft auf Frederics Arm. In einem freundlichen Regen aus Reis und Blütenblättern traten sie zusammen ins Sonnenlicht.
»Wie schön«, stellte Phoebe neben ihm fest.
Sie trug ein mintgrünes Kleid und hielt die Narzissen, die sie während der Trauung getragen hatte, locker in ihrer rechten Hand. Sie lächelte, und ihre Augen waren voller Freude. Zwei tiefe Grübchen zierten ihre vollen Wangen. Ein Bogen |512| von Blüten und Reis zeichnete sich vor dem klaren Himmel ab, und Phoebe lachte entzückt, als sie herabfielen. Paul schaute sie sich genau an: diese Fremde, seine Zwillingsschwester. Zusammen waren sie den Gang der winzigen Kirche bis zum Altar entlanggeschritten, wo ihre Mutter mit Frederic gewartet hatte. Er war langsam gelaufen, und Phoebe, die Hand um seinen Ellenbogen und entschlossen, alles richtig zu machen, war ernst und aufmerksam an seiner Seite einhergegangen. Während des Treueschwurs waren Schwalben durch den Dachstuhl geflogen, doch seine Mutter war sich mit der Kirche von Anfang an sicher gewesen, ebenso wie sie während all der sonderbaren, unerwarteten und tränenreichen Diskussionen um Phoebe und ihre Zukunft darauf bestanden hatte, daß ihre beiden Kinder bei der Hochzeit dabei wären.
Eine weitere Salve, diesmal aus Konfetti, gefolgt von aufbrausendem, wogendem Gelächter. Seine Mutter und Frederic senkten ihre Köpfe, und Bree strich die bunten Papierschuppen von ihren Schultern und Haaren. Leuchtendes Konfetti lag überall verstreut und ließ den Rasen wie Terrazzo aussehen.
»Du hast recht«, sagte er zu Phoebe. »Es ist schön.«
Sie nickte nun nachdenklich und strich ihren Rock mit beiden Händen glatt.
»Deine Mutter geht nach Frankreich.«
»Ja«, sagte Paul, obwohl ihre Worte ihn zusammenschrecken ließen:
deine Mutter
. Worte, mit denen man Fremde bezeichnete. Es war das, was seine Mutter am meisten verletzt hatte – die verlorenen Jahre, die zwischen ihnen standen, formale und zögerliche Worte, an deren Stelle doch Ungezwungenheit und Liebe hätten stehen müssen. »Wir beide auch, in ein paar Monaten«, sagte er, um Phoebe daran zu erinnern, worauf sie sich letztlich geeinigt hatten. »Wir fahren nach Frankreich und besuchen sie dort.«
Ein sorgenvoller Gesichtsausdruck glitt über Phoebes Gesicht.
|513| »Wir kommen wieder zurück«, fügte er sanft hinzu, sich ins Gedächtnis rufend, wieviel Angst ihr der Vorschlag seiner Mutter gemacht hatte, mit ihr nach Frankreich zu ziehen.
Sie nickte, sah jedoch immer noch bekümmert aus.
»Was ist los?« fragte er. »Was macht dir Sorgen?«
»Schnecken zu essen.«
Paul sah sie erstaunt an. Vor der Trauung hatte er im Vestibül noch mit seiner Mutter und Bree herumgealbert, hatte über das Festessen gescherzt, das sie in Châteauneuf erwartete. Phoebe hatte still am Rande gestanden – er hatte nicht gewußt, daß sie zuhörte. Dies war ebenso ein Rätsel: Phoebes Gegenwart in der Welt, was sie sah, fühlte und verstand. Alles, was er wirklich über sie wußte, konnte er auf eine Karteikarte schreiben: Sie mochte Katzen, das Weben, hörte gern Radio und liebte es, in der Kirche zu singen. Sie lächelte viel, hatte eine Schwäche für Umarmungen und war – wie er – allergisch gegen Wespenstiche.
»Schnecken sind gar nicht mal so übel«, sagte er. »Ganz weich. Wie Weingummi mit Knoblauch.«
Phoebe verzog ihr Gesicht, doch dann lachte sie. »Wider lich «, sagte sie. »Das ist widerlich, Paul.« Der seichte Wind fuhr ihr sanft durchs Haar, und ihr Blick richtete sich noch immer auf das Geschehen vor ihnen, die herausströmenden Gäste, das Sonnenlicht, die Blätter. Auch ihre Wangen waren, wie die seinen, mit Sommersprossen übersät. Auf der anderen Seite des Rasens hantierten seine Mutter und Frederic mit einem silbernen Kuchenmesser.
»Robert und ich«, sagte Phoebe. »Wir werden auch heiraten.«
Paul lächelte. Er hatte Robert einmal gesehen – als sie das erste Mal nach Pittsburgh gekommen waren. Sie waren zum Lebensmittelladen gefahren, um ihn kennenzulernen: Er war groß und
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