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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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lächelte breit, und ihre Antwort war ein Nicken. »Meine Torte wird acht Lagen haben«, sagte sie, als sie über den Rasen gingen und dem Stimmengewirr, dem Gelächter und der Musik folgten.
    Paul lachte. »Nur acht? Warum nicht zehn?«
    »Blödmann. Du bist ein Blödmann, Paul.«
    Die Schultern seiner Mutter waren noch immer mit Konfetti bedeckt. Sie lächelte, ihre Bewegungen waren sanft, und sie strich Phoebes Haar zurück, als wäre sie noch immer ein kleines Mädchen. Phoebe fuhr zurück, und Paul zuckte zusammen. Für diese Geschichte gab es kein einfaches Ende. Es würde Überseebesuche und -telefonate geben, aber niemals die gewohnte Leichtigkeit eines Alltaglebens.
    »Du hast deine Sache sehr gut gemacht«, sagte Norah. »Ich bin so froh, daß du bei der Trauung dabei warst, Phoebe. Du und Paul. Ich kann dir gar nicht sagen, wieviel mir das bedeutet hat.«
    »Ich mag Hochzeiten«, sagte Phoebe und streckte ihre Hand nach einem Teller mit Kuchen aus.
    Seine Mutter lächelte etwas traurig. Paul beobachtete Phoebe und fragte sich, wie sie verstehen konnte, was hier vor sich ging. Sie schien sich um die Dinge keine großen Sorgen zu machen, sondern die Welt eher als faszinierenden und ungewöhnlichen Ort zu begreifen, wo alles möglich war. Wo eines Tages eine Mutter und ein Bruder, von denen man nie |517| zuvor etwas gehört hatte, vor der Tür stehen und einen zu einer Hochzeit einladen konnten.
    »Ich bin froh, daß du uns in Frankreich besuchen wirst«, fuhr seine Mutter fort. »Wir sind beide sehr froh, Frederic und ich.«
    Phoebe schaute auf, erneut verunsichert.
    »Es ist wegen der Schnecken«, erklärte Paul. »Sie mag keine Schnecken.«
    Seine Mutter lachte. »Keine Sorge. Ich mag auch keine.«
    »Und ich gehe wieder nach Hause«, fügte Phoebe hinzu.
    »Genau«, sagte seine Mutter sanft. »Das haben wir ja so abgesprochen.«
    Paul beobachtete sie und war machtlos gegen den Schmerz, der wie ein Stein in seinem Körper lag. Das Alter seiner Mutter wurde ihm qualvoll bewußt, ihre dünne Haut, ihre ergrauenden Haare, doch auch ihre Schönheit. Sie schien anmutig und verwundbar, und er fragte sich – wie er sich schon so oft in den letzten Wochen gefragt hatte –, wie sein Vater sie hatte betrügen, sie alle hatte betrügen können.
    »Wie konnte er nur?« fragte er ruhig. »Wie konnte er es uns verschweigen?«
    Ernst wandte sie sich zu ihm. »Ich weiß es nicht. Ich werde es nie verstehen. Aber stell dir vor, was er für ein Leben geführt haben muß, Paul. Dieses Geheimnis all die Jahre mit sich herumzutragen.«
    Er blickte über den Tisch. Phoebe stand neben einer Pappel, deren Blätter sich langsam bräunlich färbten, und kratzte mit ihrer Gabel die Sahne vom Kuchen. »Unser Leben hätte ganz anders verlaufen können.«
    »Das stimmt. Aber es ist nicht anders verlaufen, Paul. Es ist, wie es ist.«
    »Du verteidigst ihn«, sagte er zögernd.
    »Nein. Ich vergebe ihm. Zumindest versuche ich das. Das ist ein Unterschied.«
    |518| »Er verdient keine Vergebung«, sagte Paul und erschrak über die Bitterkeit, die immer noch in ihm war.
    »Vielleicht nicht«, sagte seine Mutter. »Aber du und ich und Phoebe, wir haben die Wahl: verbittert und zornig zu sein oder zu versuchen, nach vorn zu blicken. Für mich ist es das Schwerste überhaupt, meinen selbstgerechten Zorn verrauchen zu lassen. Ich ringe noch immer mit mir. Aber ich habe es mir vorgenommen.«
    Er dachte darüber nach. »Ich habe eine Stelle in Pittsburgh angeboten bekommen.«
    »Wirklich?« Sie sah in forschend an. »Wirst du sie annehmen?«
    »Ich denke schon«, sagte er und spürte, daß er sich bereits entschieden hatte. »Es ist ein sehr gutes Angebot.«
    »Du kannst nichts rückgängig machen«, sagte sie ruhig. »Du kannst die Vergangenheit nicht zurückholen, Paul.«
    »Ich weiß.« Beim erstenmal war er in dem Glauben nach Pittsburgh gefahren, daß er seine Hilfe anbieten müsse. Er hatte Angst vor der Verantwortung gehabt, die er zu übernehmen haben würde, davor, wie sein Leben sich mit der Bürde einer zurückgebliebenen Schwester ändern könnte, und er war überrascht – sogar erstaunt – gewesen, dieselbe Schwester sagen zu hören: »Nein, ich mag mein Leben, wie es ist. Nein danke.«
    »Du mußt
dein
Leben leben«, fuhr sie fort, diesmal eindringlicher. »Du bist nicht für das verantwortlich, was geschehen ist. Phoebe geht es gut, rein finanziell gesehen.«
    Paul nickte. »Ich weiß. Ich fühle mich nicht für sie

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