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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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verantwortlich. Wirklich nicht. Es ist nur – ich dachte, ich würde sie einfach gerne erleben. Im Alltag. Sie ist immerhin meine Schwester. Es ist ein guter Job, und ich brauche definitiv eine Luftveränderung. Pittsburgh ist eine wunderschöne Stadt. Warum nicht?«
    »Ach, Paul.« Seine Mutter seufzte und fuhr sich mit der Hand durch ihr kurzes Haar. »Ist es wirklich eine gute Stelle?«
    |519| »Ja. Sie ist wirklich gut.«
    Sie nickte. »Es wäre schön, euch beide an einem Ort zu wissen«, gab sie zögernd zu. »Aber du mußt über den Tellerrand hinausschauen. Du bist noch sehr jung und gerade erst dabei, deinen Weg zu finden. Sei dir deiner Sache sicher, wenn du diesen Schritt tust.«
    Noch bevor er antworten konnte, stand Frederic da, tippte auf seine Uhr und sagte, daß sie gehen müßten, um den Flug zu erwischen. Nach einer kurzen Unterhaltung machte sich Frederic daran, den Wagen zu holen, und seine Mutter wandte sich wieder ihm zu, legte ihre Hand auf seinen Arm und küßte ihn auf die Wange.
    »Wir müssen jeden Moment los. Bringst du Phoebe nach Hause?«
    »Ja. Caroline und Al meinten, ich könne bei ihnen übernachten.«
    Sie nickte. »Danke«, sagte sie sanft. »Dafür, daß du hier warst. Es war sicher nicht einfach für dich. Aber es hat mir sehr viel bedeutet.«
    »Ich mag Frederic«, sagte er. »Ich hoffe, daß du glücklich mit ihm wirst.«
    Sie lächelte und hielt seinen Arm. »Ich bin so stolz auf dich, Paul. Weißt du eigentlich,
wie
stolz ich auf dich bin? Wie sehr ich dich liebe?« Sie drehte sich um und sah über den Tisch hinweg zu Phoebe. Sie hatte das Bund Narzissen unter ihren Arm geklemmt, und der leichte Wind spielte mit ihrem schimmernden Rock. »Ich bin stolz auf euch beide.«
    »Frederic winkt schon«, sagte Paul und sprach schnell, um seine Gefühle zu verbergen. »Ich denke, es ist Zeit. Er ist soweit. Geh und sei glücklich, Mom.«
    Sie sah ihn eindringlich und lange an, mit Tränen in den Augen, und küßte ihn ein zweites Mal. Frederic kam über den Rasen zu ihnen und schüttelte Paul die Hand; dann gingen sie sich von Phoebe verabschieden. Seine Mutter umarmte |520| seine Schwester und gab ihr ihren Brautstrauß. Er sah, daß Phoebe vorsichtig ihre Umarmung erwiderte. Sie stiegen in den Wagen, lächelten und winkten den Hochzeitsgästen in einem neuerlichen Konfettiregen. Paul beobachtete, wie das Auto hinter der Kurve verschwand, und machte sich auf den Weg zum Tisch. Immer wieder blieb er stehen, um Gäste zu begrüßen, und ließ dabei Phoebe nicht aus den Augen.
    Er hörte, wie sie fröhlich und geräuschvoll mit einem der Gäste über Robert und ihre eigene Hochzeit sprach. Ihre Stimme war laut, die Worte kamen ein wenig schwerfällig und unbeholfen, ihre Aufregung war offenkundig. Er bemerkte die Reaktion des Gegenübers – ein angestrengtes, unsichereres, geduldiges Lächeln – und zuckte zusammen. Weil Phoebe sich einfach nur unterhalten wollte. Weil er noch vor ein paar Wochen genauso auf dieses Gespräch reagiert hatte.
    »Wie sieht es aus, Phoebe«, unterbrach er sie. »Sollen wir gehen?«
    »Okay«, sagte sie und stellte ihren Teller ab.
    Sie fuhren durch die üppige Natur. Paul schaltete die Klimaanlage aus und kurbelte die Fenster herunter. Er dachte daran, wie rastlos seine Mutter durch dieselbe Landschaft gefahren war, um ihrer Einsamkeit und ihrem Kummer zu entfliehen. Er mußte Tausende von Meilen mit ihr zurückgelegt haben, kreuz und quer durchs Land, während er auf dem Rücken gelegen und anhand der flüchtigen Eindrücke von Blättern, Telefondrähten und Himmelsausschnitten versucht hatte, zu erraten, wo sie waren. Er erinnerte sich daran, wie er einen durch das schlammige Wasser des Mississippi schwimmenden Dampfer beobachtet hatte, dessen blitzende Schaufelräder Licht und Wasser reflektierten. Er hatte ihren Kummer nie verstanden, obgleich er ihn später immer bei sich getragen hatte, ganz gleich, wohin er gegangen war.
    All dieser Kummer war nun Vergangenheit: jenes Leben war vorbei, war ebenfalls Vergangenheit.
    |521| Er fuhr schnell. Überall lauerte der Herbst. Die Hornsträucher färbten sich schon und hoben sich vor den Hügeln in einem schimmernden Rot ab. Pollen kitzelten Pauls Nase, und er mußte mehrere Male niesen, dennoch ließ er die Fenster offen. Seine Mutter hätte die Klimaanlage eingeschaltet, und im Wagen wäre es so kühl gewesen wie in einem Blumenladen. Sein Vater hätte seine Tasche geöffnet und seine Antihistamine

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