Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Rivale mit Torquemada gemeinsame Sache machte, war der Kardinal in größerer Gefahr, als ich bisher befürchtet hatte.
»Ich muss Seine Eminenz sofort in Kenntnis setzen«, sagte ich. Aber zuvor blieb ich noch einen Moment lang stehen und betrachtete den Mann, der so viel für ein ihm fremdes Volk risikierte und für die Frau, die ihn abgewiesen hatte.
»Ihr habt schon mehr als genug getan«, sagte ich leise. »Ihr solltet jetzt vernünftig sein und zu Nando aufs Land gehen.« Im Stillen dankte ich Gott für Roccos Weitsicht, dass er seinen Sohn rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatte.
Er lächelte und fuhr mir zart mit der Hand über die Wange. Es kam mir gar nicht in den Sinn, der Berührung auszuweichen, weil ich ihn immer noch anblickte. Er war wirklich ein unglaublich gut aussehender Mann. Weder so unberechenbar wie der wankelmütige Cesare noch so engelgleich wie Morozzi, aber dafür von Ruhe und Sanftheit beseelt, die sich in allem niederschlug, was er tat. Obwohl seine Schöpfungen aus Sand und Feuer von traumhafter Eleganz waren, stellte ich immer häufiger fest, dass der Mensch hinter diesen zarten Gebilden so beständig war wie eine Eiche, die selbst dem stärksten Sturm widerstand.
»Mein Sohn ist noch ein Kind, Francesca. Ich dagegen bin ein Mann. Ich bleibe hier und bringe diese Sache zu einem guten Ende.«
Um nicht reden zu müssen und mich unweigerlich zum Narren zu machen, drückte ich ihm nur stumm die Hand und nickte. So standen wir noch einen Augenblick, bevor uns die alltäglichen Pflichten unweigerlich auseinanderrissen. Ich sah ihm nach, bis er verschwunden war. Dann eilte ich zu Borgia und teilte ihm mit, was ich erfahren hatte.
»Verdammter Giuliano«, stieß er hervor, als ich ihm von Torquemadas Besuchern berichtete. »Wie tief will er denn noch sinken?« Das sagte ein Mann, der frohlockend den Tod eines Papstes in Kauf genommen hatte.
Dann erzählte ich ihm von meinen Befürchtungen und Morozzis und Torquemadas Absichten. Geduldig ließ er mich ausreden und brummte höchstens einige Male, bevor er sein Urteil abgab.
»Euer Vater wäre stolz auf Euch.«
Verdutzt sah ich ihn an.
»Wieso das? Er wollte doch nie, dass ich so ein Leben wie er führe. Im Gegenteil. Er wollte einen Mann für mich, den ich respektiere, und Enkelkinder, die er verwöhnen kann. Dass das letztlich nicht eingetroffen ist und er stattdessen auf der Straße sterben musste, kann man nur als Wendung des Schicksals bezeichnen.«
»Euer Vater hat die Dinge klarer gesehen als die meisten Menschen«, sagte Borgia. »Weil er vermutlich so gut wie keine Illusionen hatte.«
Außer der Hoffnung, dass seine einzige Tochter nicht in seine Fußstapfen trat.
»Was tun wir jetzt?«, fragte ich.
Borgia zuckte die Achseln.
»Was können wir schon tun? Ich denke, dass Ihr die Pläne
von Torquemada und Morozzi richtig einschätzt. Es gibt keine andere Erklärung für die Anwesenheit des Großinquisitors. Ob wir die beiden noch aufhalten können, wird die Zukunft zeigen.«
»Und falls nicht …«
»Dann wird es vermutlich auch ein heiliges Kind von Rom geben«, sagte er in Anbetracht des unbekannten Kindes von La Guardia, das die Juden angeblich gekreuzigt hatten. Man würde einen Schrein für das Kind errichten, der die Gläubigen in Scharen anzog.
»Das möge der Himmel verhüten«, sagte ich. Falls so etwas in Rom geschah, war Borgias Streben nach der Papstwürde zum Untergang verurteilt. Und die Juden ebenfalls. Della Rovere verbreitete zwar, dass Borgia ein marano sei – aber dennoch stand die Bevölkerung noch auf Seiten des Kardinals. Von seiner Tatkraft versprachen sie sich die Lösung ihrer Probleme. Außerdem war er großzügiger als die meisten anderen Bewerber. Es musste schon ein Unglück wie das in La Guardia passieren, und das Volk würde sich gegen Borgia wenden. Und dann wäre nicht nur Rom betroffen, sondern die gesamte Christenheit.
»Soweit uns bekannt ist, wird nirgendwo ein Straßenkind vermisst.«
Diese Meldung stammte von Benjamin, nachdem er sich auf dem Campo und jenseits des Tibers in der Umgebung des Vatikans umgehört hatte. Er hatte da und dort neugierige Fragen gestellt oder den richtigen Leuten etwas zugeflüstert. In Rom lebten eine Menge heimatloser Kinder, die aber nicht weiter auffielen, außer man achtete auf sie. Untereinander kannten sich die Kinder gut und lebten
in einer Art Verbund zusammen. Hätte eines von ihnen gefehlt, hätten die anderen es sofort bemerkt.
In der
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