Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
dem kleinen Arbeitsraum, wo sie gerade Kräuter für eine Medizin im Mörser zerkleinerte. Als sie mich sah, zog sie schnell einen Schemel unter dem Tisch hervor und deutete darauf.
»Ihr seht ja schrecklich aus«, sagte sie.
Dankbar setzte ich mich. Eine Beichte war vielleicht gut für die Seele, aber sie schien üble Auswirkungen auf meinen armen Körper zu haben. Oder lag es vielleicht an dem reichlichen Essen und dem vielen Wein, den ich genossen hatte?
»Ich habe nicht gut geschlafen.« Das war die einfachste Erklärung. Mehr wollte ich ohnehin nicht sagen.
Sofia ließ von ihrer Arbeit ab und bereitete mir einen Tee aus Fenchel, Löwenzahn und Beifuß zu. Meinen Protest überging sie einfach und stellte mir die Tasse vor die Nase. Dann setzte sie sich mir gegenüber an den Tisch.
»Wir können für den Moment durchatmen«, sagte sie. »Ich dachte, Ihr würdet Euch darüber freuen.«
Ich mochte ihr nicht sagen, wie weit mein Seelenzustand von dem Gefühl der Freude entfernt war.
»Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass es auch so bleibt«, sagte ich stattdessen. »Wisst Ihr, wo David steckt?«
»Ich habe da so meine Vermutungen. Ich schicke Benjamin los, damit er ihn holt.«
»Bitte, tut das. Ich muss mit ihm reden.«
Sie stand auf, um Benjamin zu rufen, aber die Ermahnung folgte auf dem Fuße.
»Ihr müsst Euren Tee trinken. Lasst ihn nicht kalt werden. «
Ich trank einen Schluck. Nach einem kurzen Würgeanfall spürte ich förmlich, wie er mich belebte. Kurze Zeit darauf kam David in die Apotheke. Er sah mich kurz an und schüttelte den Kopf.
»War es denn so schlimm?«
»Was war schlimm?«, fragte Sophia sofort, während sie wieder nach dem Mörser griff. Das Hirtentäschelkraut, das sie gerade zerkleinerte, war eine der Pflanzen, die sie im Herbst bei mir bestellt hatte. Richtig angewendet kann es Blutungen stillen und die Wundheilung verbessern.
David setzte sich und streckte seine langen Beine aus. Er war unrasiert, und seine Augen waren gerötet. Offenbar hatte er auch die ganze Nacht nicht geschlafen. Benjamin hockte sich dicht bei der Tür auf die Fersen und machte sich so klein wie möglich, damit niemand Notiz von ihm nahm. Dabei hatte ich gar nicht die Absicht, ihn wegzuschicken.
»Das Abendessen, das der Kardinal gegeben hat«, antwortete David knapp. »Er lässt keine Gelegenheit aus, um unser Geld auszugeben.« Er sah mich an. »Stimmt es, dass mindestens die Hälfte des Kardinalkollegiums anwesend war?«
»Das ist richtig – und Morozzi.«
Mit kaltem Blick sah David mich an.
»Und weshalb lässt Borgia so etwas zu?«
»Ich denke, dass er den Priester unter Druck setzen wollte. Aber das ist im Moment nicht so wichtig. Wir haben größere Probleme.« Ich holte Luft. »Torquemada ist auf dem Weg nach Rom.«
Sofia und David wechselten einen raschen Blick.
»Ja«, sagte David. »Das wissen wir bereits.«
Im Grunde hatte ich nichts anderes erwartet. Borgia hatte eine Armee von Spionen, aber die Juden hörten die Neuigkeiten von den Tausenden von Flüchtlingen, die tagtäglich nach Rom kamen.
»Borgia rät zur Geduld.« Eigentlich hatte er es befohlen, aber ich sah keinen Grund, das ausdrücklich zu betonen. »Er rät Euch, Euch ruhig zu verhalten, weil das nur Torquemada in die Hände spielt.«
David schwieg einen Augenblick und überlegte, bevor er mich ansah.
»Wir sind hier nicht in La Guardia. Der Kardinal muss das einsehen. Wir werden unter keinen Umständen tatenlos zusehen, wie Torquemada hier sein Unwesen treibt.«
Trotz der warmen Luft rann mir ein kalter Schauer über den Rücken. La Guardia war der Name der spanischen Stadt, wo der Großinquisitor angeblich die Kreuzigung eines christlichen Kindes aufgedeckt und die Juden beschuldigt hatte, dass sie mit dem Herz dieses Kindes in einem besonderen Ritual die Zisterne der Stadt vergiften wollten. Aufgrund von angeblichen Beweisen, die unter der Folter erpresst worden waren, ließ er neun Juden und conversi auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Außerdem hatte er dieses angebliche Verbrechen dazu benutzt, um die Katholischen Majestäten Ferdinand und Isabella zum Erlass ihres Edikts
zu bewegen. So gesehen, waren alle spanischen Juden Opfer von La Guardia und Torquemada persönlich.
»Ihr müsst dem Kardinal vertrauen«, sagte ich beschwörend. Aber die Worte galten auch mir. »Er versteht Eure schwierige Lage und wird alles tun, was in seiner Macht steht, um seinen Sieg zu sichern.« Ich sah keine Notwendigkeit zu
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