Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
erwähnen, dass er für dieses Ziel sogar seine Tochter einem Mann versprach und eingeschworene Feinde ans Herz drückte.
»Nun gut« sagte David. »Borgia hat unermesslich viel Geld von uns bekommen. Jetzt wollen wir zusehen, wie er es sich verdient.« Er sah mir in die Augen. »Richtet ihm das aus, Francesca, und sorgt dafür, dass er es nicht missversteht. Keinesfalls wird er durch unser Blut zum Thron waten. Wenn wir fallen, so fällt auch er.«
Vielleicht hatte Sofias Tee meine Übelkeit nicht völlig beseitigt, oder ich war schlecht gelaunt, weil ich müde war. Jedenfalls reagierte ich ausgesprochen schroff.
»Denkt Ihr, es macht mir Spaß, Borgias Botschaften zu überbringen? Da will ich nicht auch noch Euer Bote sein. Sagt ihm das gefälligst selbst.«
»Und wo soll ich das tun?«, fragte David zurück. »Soll ich ihn in der Kurie besuchen? Nein, ich lade ihn besser hierher ein! Ihr seid doch einverstanden, Sofia, oder nicht? Sicher könnt Ihr etwas zubereiten, das auch den Geschmack des Kardinals trifft.«
»David …«, begann Sofia, doch ich fiel ihr ungeduldig ins Wort.
»Ihr habt Euren Standpunkt dargelegt«, sagte ich. »Doch nun hört meine Meinung. Was auch immer Ihr von Borgia
haltet … aber in dieser Sache hat er recht. Der Großinquisitor kommt nur nach Rom, weil er die Wahl eines Papstes verhindern will, der als Freund der Juden angesehen wird. Nichts anderes könnte Torquemada zur Zeit aus Spanien weglocken. Die Frage ist nur, wie er in den wenigen Tagen bis zum Beginn des Konklaves sicherstellen kann, dass Borgia verliert.«
»Ihr wollt also sagen, dass der Großinquisitor die Absicht hat, uns aufzustacheln …«, stellte David fest.
Aber das meinte ich nicht. Gedanken, die tief in meinem Bewusstsein geschlummert hatten, seit ich von der Ankunft des Großinquisitors erfahren hatte, wurden plötzlich lebendig.
»Weshalb sollte er denken, dass er Euch aufstacheln könnte?«, fragte ich. Ohne es zu merken, war ich in Borgias Angewohnheit verfallen, Gegenfragen zu stellen, um auf diese Weise das Rätsel näher einzukreisen. »Haben die Juden denn jemals rebelliert, so wie Ihr es angedroht habt?«
Gedankenverloren schüttelte David den Kopf.
»Es wurde immer wieder darüber geredet …«
»Aber nie wirklich etwas unternommen. Jahrhundertelang haben die Juden überall in Europa den Kopf eingezogen und schweigend ertragen, was man ihnen angetan hat. Ihr wollt das ändern, nicht wahr? Ihr wollt beweisen, dass der Tod der Juden einen Preis hat, habe ich recht?«
»Ihr kennt unsere Pläne, aber …«
»Ich glaube, ich weiß, was Francesca sagen will«, fiel Sofia ihm ins Wort. »Borgia weiß von unseren Plänen, und vielleicht noch eine Handvoll anderer Männer. Aber Torquemada würde einen Aufstand nie für möglich halten. Nach
seinen Erfahrungen mit den Juden würde er über einen solchen Plan doch nur lachen.«
»Warum kommt er dann nach Rom?«, fragte ich. »Wenn er keinen Aufstand im Ghetto provozieren will …?«
»Er will die gesamte Christenheit aufstacheln«, sagte David. »Wie damals in La Guardia. Das Ergebnis wäre dasselbe. Aber wir werden ihm diesen Erfolg nicht gönnen.«
»In meinen Augen ist das völlig unmöglich«, sagte Sofia. »In La Guardia hat Torquemada ganze zwei Jahre gebraucht, bis er die Verantwortlichen von der Schuld der Juden überzeugt hatte. Er musste seine Opfer sogar foltern, aber dafür bleibt ihm jetzt keine Zeit.«
»Was sonst könnte sein Ziel sein …?«, überlegte David.
»Was hat dem Großinquisitor in La Guardia gefehlt, was die Sache beschleunigt hätte?«, fragte ich zurück und ergänzte im selben Atemzug: »Torquemada konnte keine Leiche vorweisen. Trotz aller Behauptungen, dass die Juden ein Christenkind gekreuzigt hätten, gab es weit und breit keinen Beweis. Ja, nicht einmal ein Gerücht, dass irgendwo ein Kind vermisst wurde.«
Mein Blick wanderte zu Benjamin, der uns aufmerksam zuhörte. Ein Kind wie er, der zusammen mit zahllosen anderen Kindern, mit verlassenen oder verwaisten Mädchen und Jungen auf der Straße lebte … und doch wäre dieser Junge durch den heiligen Bund Abrahams mit Gott geschützt. Einen Jungen wie Benjamin würde man nie für ein Christenkind halten – und genau das brauchte Torquemada.
»Mein Gott …«, murmelte Sofia und presste die Hand auf den Mund.
Selbst David erbleichte. Dass ein Priester den Mord an
einem Kind benutzte, um seine Ziele zu erreichen, war zu viel für ihn.
Mit einem Mal stand mir
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