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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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zögerte, wollte nicht, dass man mich in meine Räume zurückschickte, wo ich mich nur von einer Seite auf die andere wälzen würde. Aber einem Kardinal widersprach man nicht. Erst recht nicht, wenn er einen mit der Bemerkung verabschiedete, dass man nicht zu gebrauchen sei, wenn man seine Augen nicht offenhalten könne.
    Ich zog nur meine Schuhe aus, behielt die Kleider aber an und deckte mich nicht zu. Eine ganze Weile starrte ich an die Decke, während ich die Ereignisse der letzten Tage Revue passieren ließ. Das war sicher nicht das beste Rezept, um Schlaf zu finden, aber letztlich döste ich ein und schwebte zwischen Bewusstsein und Traum hin und her.
    Aber der tiefe Schlaf wollte nicht kommen. Morpheus ist ein launischer Geselle. Einigen gehorcht er leicht, aber anderen widersteht er nach Kräften. Am besten lockte man ihn, indem man nicht an ihn dachte. Man musste die Gedanken mit nichtigen Dingen beschäftigen und alles Aufregende meiden. Das beste Mittel für mich war stets ein Spaziergang durch die Stadt.
    Früher ging mein Vater gern in der Stadt spazieren und hat mich immer wieder auf kleine Entdeckungsreisen mitgenommen. Ich habe Rom durch seine Augen kennen gelernt. Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass man mich in jedem Viertel absetzen kann und ich anhand der Geräusche und Gerüche imstande bin, haargenau zu sagen, wo ich
mich befinde. Vor ein paar Jahren rettete mir diese Fähigkeit sogar das Leben. Aber ich schweife ab.
    Um den Schlaf zu locken, begab ich mich also auf eine imaginäre Reise, indem ich mich vom Palazzo aus nach Osten treiben ließ und über die Aurelianische Mauer in die Altstadt gelangte. In der Ferne erblickte ich den Quirinal, wo der Raub der Sabinerinnen seinen Ursprung hat. Die Hochzeitstruhe meiner Mutter, die sich inzwischen in meinem Besitz befand, war mit einzelnen Szenen dieser Entführung verziert. Falls es Euch seltsam erscheint, eine Hochzeitstruhe mit solch einem Motiv zu verzieren, so lasst Euch von Livius gesagt sein, dass den Sabinerinnen als Dank für ihre Hochzeit mit römischen Männern eigene Rechte verliehen wurden, die heutige Römerinnen nur zu gern besäßen.
    Gerne hätte ich meine Mutter gefragt, was sie sich von ihrer Ehe erhofft hat und ob sich diese Hoffnungen in der kurzen Zeit erfüllt haben, die ihr mit meinem Vater beschieden war. Aber leider war sie nur ein gesichtsloser Schatten ohne Stimme, der manchmal in meinen Träumen erschien und sofort verschwand, wenn ich die Hand nach ihr ausstreckte.
    Die Träume von meinem Vater waren ganz anders. Nach dem Gespräch mit Borgia träumte ich, dass ich mit einem Mal neben meinem Vater durch die Stadt ging. Ich spürte seine lebendige Gegenwart und wagte nicht, den Kopf zu drehen, damit er nicht plötzlich verschwand. In den Tagen unmittelbar nach seiner Ermordung habe ich immer nur von seinem blutüberströmten Leichnam geträumt, den ich beweinte. Umso schöner war es, ihn jetzt lebendig an meiner Seite zu wissen. Ich wollte alles tun, um dieses Gefühl zu bewahren.

    Schweigend gingen wir am Viminal, dem kleinsten und unbedeutendsten Hügel der Stadt, vorbei bis zum Esquilin, der steil über den Resten des Kolosseums emporragt. Auf ihm erhebt sich die Basilika di Santa Maria Maggiore. Dort haben wir oft eine Kerze vor der Ikone der Jungfrau Maria entzündet, die angeblich der heilige Lucas persönlich gemalt hat. Ich starrte so lange in die Flamme, bis sie heller und heller leuchtete und schließlich die Sonne über dem Kapitol aufging.
    »Der höchste der römischen Hügel in seiner ganzen Pracht«, sagte mein Vater. Sein Arm war durchscheinend und blass, als ob die Sonnenstrahlen ihn durchdrangen, während er eine weit ausholende Armbewegung machte – von der Kirche Santa Maria Aracoeli am Fuß des Hügels bis hinauf zur Kuppe, wo angeblich einer der antiken Sibyllen die Ankunft Christi prophezeit hatte.
    Ich blieb etwas zurück, weil ich die Stufen zur Kirche nicht emporsteigen wollte. Am unteren Ende und im Angesicht des Himmels, der ihnen nicht zuteil wurde, wurden früher angeblich die verurteilten Verbrecher hingerichtet.
    Mein Vater, oder sein Schatten, gab meinem Willen nach, und so spazierten wir am Caelius mit seinen antiken Ruinen vorbei in südlicher Richtung zum Palatin, wo einst die Zwillinge Romulus und Remus gefunden wurden und Rom seinen Anfang nahm. Wie es in Träumen möglich ist, befanden wir uns plötzlich oben auf dem Aventin, wo Remus angeblich den Flug der Vögel

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