Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
hätte, so sehr schmerzte jeder Knochen und jeder Muskel in meinem Leib.
Aber für Wehklagen blieb keine Zeit. Ich sah noch einmal auf Giulia hinunter, um mich zu vergewissern, dass ich keine falschen Hoffnungen hegte und das Schlimmste tatsächlich überstanden war. Dann drehte ich mich zu Donna Adriana um.
Sie hatte die ganze Zeit über im Zimmer ausgeharrt, doch inzwischen hatte sie sich auf einen bequemen Sessel gesetzt, von wo sie die Vorgänge aus sicherer Entfernung beobachtete.
Ich verlor keine Zeit mit Förmlichkeiten und kam sofort zur Sache.
»Was wisst Ihr darüber? Wie ist es geschehen?«
Ihr müsst mich richtig verstehen, ich wollte mich meiner Verantwortung nicht entziehen. Aber obwohl ich jung war, wusste ich, dass man die besten Antworten erhielt, wenn man den Gesprächspartner überraschte und aus der Reserve lockte. Was auch immer Madonna Adriana von mir erwartet hatte – tränenreiche Reue oder die Bitte, mich vor dem Zorn des Kardinals in Schutz zu nehmen –, eine solche Frage war es jedenfalls nicht.
»Was meint Ihr damit?«, fuhr sie mich an.
»Ich habe sämtliche Lebensmittel geprüft, die in dieses Haus geliefert wurden, jedes Stück Stoff und jeden Tropfen Wein. Alles wurde von mir genauso sorgfältig gesiegelt, wie schon zuvor von meinem Vater.« Es konnte nicht schaden, sie daran zu erinnern, dass meine Familie schon sehr lange in Borgias Diensten stand.
»Doch irgendetwas ist meiner Aufmerksamkeit entgangen«, fuhr ich fort. Ich sagte es lieber selbst, bevor sie mich darauf hinwies. »Ich muss herausfinden, was es war und wie das geschehen konnte. Ihr seid die domina dieses Hauses. Ich benötige Eure Hilfe.« Ich benutzte absichtlich den offiziellen Titel, weil er die Stellung der Hausherrin und ihre Rechte und Pflichten beschrieb.
Ich bemerkte eine winzige Bewegung in Adrianas Augen.
Ein kaum wahrnehmbares Zucken. Das ließ mich aufmerken. Ich sah sie genauer an, versuchte herauszufinden, was diese Reaktion hervorgerufen hatte. Je länger ich sie beobachtete, desto größer wurde mein Verdacht, dass Madonna Adriana an diesem Vorfall nicht ganz unschuldig war. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass sie ihn mit verschuldet hätte. Aber sie wusste oder vermutete zumindest, wie es dazu hatte kommen können.
»Sagt es mir«, forderte ich sie auf.
Sie wirkte unsicher und verwirrt. Aber sie war noch immer Madonna Adriana und ließ sich nicht von jemandem wie mir herumkommandieren.
»Wie könnt Ihr es wagen …«, begann sie, aber solch eine Antwort konnte ich nicht dulden. Kostbare Stunden waren bereits verloren, auch wenn wir sie kaum besser hätten nutzen können, als Giulia das Leben zu retten. Morozzi war auf der Jagd nach einem unschuldigen Opfer oder hatte es vielleicht sogar schon gefunden. Ich musste mich beeilen.
»Ich muss erfahren, wie das geschehen konnte«, sagte ich kühl. »Ich werde mich überall umhören und jeden befragen, der mir etwas sagen kann.« Herausfordernd starrte ich sie an.
Ihr Gesicht lief rot an, aber zu ihrer Ehre muss ich sagen, dass sie sich beherrschte. Es machte nur deutlich, wie sehr sie sich fürchtete.
Dennoch blieb Madonna Adriana stumm. Ich sah, dass sich ihre Kiefer bewegten, als ob sie mit den Worten kämpfte.
Letztlich blieb es Lucrezia überlassen zu antworten, die noch immer an La Bellas Bett saß, aber sehr genau beobachtete, was sich vor ihren Augen abspielte.
»Die Feigen …«, sagte sie mit einem Mal leise.
Ich hätte die Bemerkung beinahe überhört. Dabei stimmte es, dass frische Früchte tödlich sein können, wenn sie Durchfälle erzeugen und dem Körper lebenswichtige Stoffe entziehen. Gründliches Waschen oder besser noch Schälen, bevor man etwas zu sich nimmt, ist eine wichtige Vorsichtsmaßnahme. Dagegen war es fast unmöglich, frische Früchte zu vergiften, ohne ihre äußere Erscheinung zu beeinträchtigen. Und ganz nebenbei weckte der bittere Geschmack sofort Misstrauen. Außerdem hatte ich alle Früchte geprüft und gesiegelt.
Als ich schon überlegte, ob Lucrezia vielleicht nur einen hilflosen Versuch unternahm, uns zu helfen, machte mich Madonna Adrianas Gesichtsausdruck plötzlich stutzig.
»Welche Feigen?«, fragte ich.
Lucrezia schwieg und wartete, dass Madonna Adriana antwortete, aber nichts geschah. Stattdessen hob Borgias Cousine die Hand und deutete auf die Tür.
»Hinaus! Alle!«
Diener, Hebammen und Ärzte eilten hinaus.
»Schließt die Tür!«, befahl Madonna Adriana.
Ich
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