Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
mit der Zunge und schüttelten den Kopf, sagten aber nichts dazu, um es sich nicht mit Madonna Adriana zu verscherzen, die sie gerufen hatte. Sie stand neben dem Bett und verbarg ihre Hände in den Ärmeln, um eine mögliche Ansteckung zu vermeiden. Die Ärzte waren ihrem Ruf gefolgt und würden sich ihre Anwesenheit sicher bezahlen lassen. Dennoch war keiner bereit, auch nur einen Finger zu rühren, damit niemand sie nach dem Tod der jungen Frau, mit dem sie rechneten, für das Geschehen verantwortlich machen konnte.
Ich dagegen hatte keine Angst. Nach einem solchen Unglück hatte ich nichts mehr zu verlieren.
»Wir müssen sie aufrichten«, sagte ich zu Lucrezia. Wie mir schien, war sie meine und La Bellas einzige Verbündete in diesem raum. »Wenn sie zu flach liegt, kann sie nicht tief genug atmen.«
Das war im Augenblick allerdings meine geringste Sorge. Hatte Giulia sich oft genug erbrochen und so viel wie möglich von dem Gift von sich gegeben? Sollte ich ihr noch mehr von dem Brechmittel geben oder ihr lieber Flüssigkeit einflößen, um nicht neue Gefahren heraufzubeschwören? Hatten die Hebammen die Blutung tatsächlich gestillt? Oder würde sie sterben, bevor das Gift sie umbringen konnte?
In Wahrheit war mein Wissen, was Vergiftungen und ihre Behandlung anging, lückenhaft. Ich wusste, wie man Vergiftungen verhinderte, jedenfalls hatte ich das in meiner Eitelkeit behauptet, und wie man jemand durch Gift tötete. Abgesehen davon war ich kaum besser gerüstet als andere Ärzte, das Opfer einer Vergiftung zu heilen.
La Bellas Kind – und natürlich auch das Kind des Kardinals – hatten für meinen Fehler mit dem Leben bezahlt. Nun konnte ich nur noch dafür sorgen, dass die Achtzehnjährige überlebte, die sich vor mir in Krämpfen wand.
Das Gänsefingerkraut hatte ganze Arbeit geleistet. Das Gift wird im Körper abgebaut, und falls die junge Frau überlebte, so würde sie sich davon erholen. Anders verhielt es sich mit Brechweinstein oder Arsen oder womöglich einer Kombination aus beidem. Alles hing davon ab, wie viel der Körper davon bereits aufgenommen hatte, doch ich hatte leider keine Zeit, das genauer festzustellen.
»Sie muss trinken«, sagte ich, nachdem ich lange gezögert hatte. Mit etwas Glück würde Giulia durch die Flüssigkeit den Rest des Giftes ausscheiden, bevor es ihr weiter schadete.
Mit Lucrezias Hilfe gelang es mir, Giulia den Becher an die Lippen zu setzen und ihr etwas Kamillen- und Pfefferminztee in den Mund zu träufeln. Obgleich das meiste danebenlief, schaffte sie es immerhin, so viel zu schlucken, dass ich ein wenig Hoffnung schöpfte, sie doch noch über den Berg zu bringen. Als sie wieder würgen musste, blieb mir das Herz stehen, doch nach einigen Krämpfen beruhigte sie sich wieder.
Den restlichen Tag über kämpften Lucrezia und ich Seite an Seite. Abwechselnd ermutigten oder zwangen wir La Bella zum Trinken, beseitigten die unvermeidlichen Folgen, wärmten sie, wenn sie zitterte, oder kühlten ihre Stirn, wenn sie fieberte. Keiner außer uns wollte sie berühren. Die Mägde schleppten in einem fort frische Tücher und Laken herbei … und die Ärzte warteten geduldig, dass meine
Bemühungen fehlschlugen. Madonna Adriana stand reglos im Zimmer und verfolgte mit wachsamem Blick jede meiner Bewegungen.
Irgendwo in der Nähe meinte ich zu hören, wie jemand Gebete murmelte, und ich wusste, dass Vittoro darüber wachte, dass nichts und niemand meinen aufopferungsvollen Kampf störte. Zusehends wuchs mir die junge Frau ans Herz. Sie war nicht länger die einzigartige La Bella, die in Liedern gefeiert wurde, sondern eine tapfere Kämpferin, die nichts für die schreckliche Lage konnte, in die sie geraten war, und ihr Bestes gab, um das heimtückische Gift zu besiegen. Dabei hatte sie sich auf mich verlassen, dass ich für ihre Sicherheit sorgte.
Als es Abend wurde, war klar, dass wir das Gift besiegt hatten. Giulia schlief tief und fest, und ihr Atem ging regelmäßig. Ihr Pulsschlag kräftigte sich, und Farbe kehrte in ihre Wangen zurück. Ich dankte Gott für ihre Jugend und ihre Kraft, die mindestens genauso entscheidend für ihre Rettung gewesen waren wie das, was ich getan hatte. Lucrezia war bleich und sichtlich erschöpft. Dunkle Ringe umgaben ihre Augen, und ihre Lippen waren an einigen Stellen aufgesprungen, weil sie voller Unruhe immer wieder darauf herumgebissen hatte. Vermutlich sah ich noch schlimmer aus. Ich fühlte mich, als ob man mich verprügelt
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