Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
nicht, dass Rocco das ebenfalls tat und dass ich die Vorwürfe verdiente.
»Wenn Ihr Morozzis Pläne nicht durchschaut hättet, wäre der Junge ums Leben gekommen und wir müssten uns heute mit dem Chaos herumschlagen.«
»Wenn ich von Anfang an vernünftiger gewesen wäre, wäre der Junge nie in Gefahr geraten, und Morozzi wäre schon lange keine Bedrohung mehr.«
Borgia kratzte die letzten Bissen zusammen und lehnte sich zurück. Trotz der dicken Mauern des Vatikans, die viel von der Sommerhitze abhielten, war die Luft stickig. Ich spürte, wie mir ein Schweißtropfen über den Rücken rann.
»Soweit ich das beurteilen kann, habt Ihr nur einen einzigen Fehler gemacht: Ihr habt mir nicht gesagt, dass Morozzi Euch angesprochen hat. Aber das ist verständlich.«
Auf meinen überraschten Blick hin fügte er hinzu: »Wir machen alle Fehler. Das Wichtigste ist nur, dass wir sie nicht wiederholen.«
»Das passiert mir nicht«, erwiderte ich nicht gerade bescheiden, aber wahrheitsgemäß. »Ich mache immer neue Fehler. Ich glaube, dafür habe ich eine besondere Begabung. «
Borgia lachte vor sich hin.
»Ihr seid noch jung. Mit der Zeit werdet Ihr reifer werden. «
Wenn er davon ausging, dass mir noch Zeit blieb, so verstand ich das als Zeichen, dass er es mit den Herausforderungen aufnehmen wollte. Ich konnte nur hoffen, dass Borgia recht hatte. Kurz darauf entließ er mich, wofür ich dankbar war. Die bange Frage nach meiner Zukunft konnte meine Erschöpfung nicht länger aufhalten. Ich hatte mir eine Pritsche aus dem Vorzimmer in die kleine Kammer gezogen, und kaum dass ich darauf niedersank, fiel ich auch schon in Schlaf.
Mitten in der Nacht erwachte ich und wusste einige Augenblicke lang nicht, wo ich mich befand. Es dauerte ein wenig, bis es mir wieder einfiel … und dann packte mich die Angst. Unwillkürlich tastete ich nach der Filzkappe auf meinem Kopf. Als ich sie fühlte, sank ich erleichtert zurück und dämmerte unruhig vor mich hin, weil mich unbewusst der anstrengende Tag beschäftigte, der vor mir lag.
Am nächsten Morgen begann die eigentliche Arbeit. Alle Händler dieser Welt werden sich freuen, dass Gott offenbar einer von ihnen ist. Alles, was ich auf dem Markt gelernt hatte, fand ich beim päpstlichen Konklave bestätigt. Falls Gott tatsächlich durch die Kardinäle sprach, so muss man ihn sich als Händler, gerissenen Feilscher, Vermittler und klugen Verkäufer wie auch als gewitzten Käufer vorstellen. Demnach würde eines Tages den Händlern und nicht den Demütigen die Welt gehören. Was sie damit anfingen, sei allerdings dahingestellt.
Viele Gespräche fanden im Flüsterton statt, Zettel gingen von Hand zu Hand, zahlreiche Besucher kamen, und in den langen Sitzungen wurde viel Wein getrunken. Man lächelte sich kühl oder freundlich zu, schüttelte sich steif die Hand
und murmelte Zusicherungen. Riesige Summen wurden wie Spielsteine auf den Tisch geworfen und augenblicklich wieder eingesammelt.
Ein Tag, der Borgia offenbar zufriedenstellte. Trotzdem aß er nur wenig und zog sich zeitig zurück.
Am Tag darauf fand die erste Abstimmung statt.
Borgia verlor.
Er erhielt sieben Stimmen, aber vierzehn gingen an della Rovere und seine Verbündeten. Eine Zweidrittelmehrheit erhielt keiner von beiden. Also wurde das Konklave fortgesetzt.
Was soll ich Euch vom darauffolgenden Tag berichten? Soll ich Euch von meiner wachsenden Angst erzählen, als die Treffen und Beratungen andauerten, oder lieber davon, dass ich oft auf den Flur spähte, um abschätzen zu können, was in den anderen Räumen vor sich ging? Vielleicht interessiert Euch ja, wen ich habe kommen und gehen sehen? Meistens Diener, die Botschaften hin und her trugen, aber auch einen Kardinal höchstpersönlich, der davoneilte, weil er nicht erwischt werden wollte, wie er schamlos auf dem Gang herumstolzierte. Früher hatte ich mich gewundert, dass Borgia immer noch mehr Reichtümer ansammelte, obwohl er doch schon so viel besaß, aber in diesen Stunden wurde mir einiges klar. Ich könnte eine lange Liste erstellen und anführen, welche Summen an welche Kardinäle gingen, aber das scheint mir sinnlos, da jedermann um ihre Käuflichkeit weiß.
Ich denke, es genügt, wenn ich Euch sage, dass bereits steinreiche Männer innerhalb weniger Stunden noch reicher wurden. Aber es war trotzdem noch immer nicht genug.
Die zweite Abstimmung fand am Abend des dritten Tages statt. Das Ergebnis war beinahe unverändert, außer dass Borgia eine
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