Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
sein, dass eine Frau belästigt wurde.«
Er wartete und gab mir jede Gelegenheit, um unverzüglich zu sagen, was er sich ohne Zweifel längst zusammengereimt hatte. Aber ich war entschlossen, nichts zu sagen. Niemand sollte von meiner Erniedrigung erfahren. Außerdem sollte keiner wissen, am wenigsten der Kardinal, dass ich inzwischen wusste, dass mein Vater Opfer eines gezielten Mordanschlags geworden war. Es war zwar sehr unwahrscheinlich aber immerhin möglich, dass Borgia selbst in das Komplott verwickelt war.
Höchstwahrscheinlich war bei ihm die Ursache all dessen zu suchen, was meinen Vater während seiner letzten Lebenswochen gequält hatte.
»Wie schrecklich«, sagte ich nur. »Wenn es doch nur mehr Männer wie Euch gäbe, wäre Rom sehr viel sicherer.«
Vittoro zwinkerte, so sehr überraschte ihn mein Lob. Natürlich war er viel zu scharfsinnig, um nicht zu wissen, dass ich ihn ablenken wollte, aber er konnte auch nichts dagegen unternehmen. Im Augenblick jedenfalls nicht.
»Wir wollen den Kardinal nicht warten lassen.« Ich trat auf den Korridor hinaus und schloss die Tür hinter mir.
Die Wohnräume des Kardinals lagen im ersten Stockwerk und gingen auf den Fluss hinaus. Bei der Ausstattung und der Einrichtung hatte man keine Kosten gescheut. Das Parkett war mit üppigen Teppichen belegt, Gobelins mit
Jagdszenen zierten die Wände, und mit Samt gepolsterte Sofas und vergoldete Tischchen luden überall zum Sitzen ein. Dieser Palazzo war ein Abbild der machtvollen Stellung seines Besitzers und konnte sich mit jeder Residenz eines weltlichen Prinzen messen.
Vittoro ließ mich im Vorzimmer warten, wo die Fresken an den Wänden den Sündenfall der Menschheit darstellten. Ich blieb stehen, damit mich meine schmerzenden Glieder beim Aufstehen nicht verrieten, und suchte mich durch die Betrachtung der biblischen Szenen abzulenken, die mehr als irdisch ausgeführt waren.
Eva in ihrer nackten Schönheit schien der Künstler weit mehr gefesselt zu haben als der glücklose Adam, der nur ein einziges Mal abgebildet war, als er den schicksalsträchtigen Apfel in Empfang nahm. Dagegen war seine hilflose Frau unter einem Wasserfall zu sehen, auf einem Bett aus Wildblumen und in allen möglichen anderen Situationen, wo man ihre üppige Figur zur Schau stellen konnte. Die Schlange stand in allen Szenen im Mittelpunkt und züngelte meistens nach Eva. Ich betrachtete den Kopf der Schlange genauer, weil man sich überall erzählte, dass ihr Gesicht dem eines rivalisierenden Kardinals ähnelte.
Ich war noch ganz in die Betrachtung der Fresken vertieft, als sich plötzlich eine verborgene Tür öffnete und ein Sekretär mich ins innere Heiligtum bat. Borgia saß hinter einem Tisch aus Wurzelholz mit eingelegtem Marmor. Er sah jung für sein Alter aus und wirkte wach und tatkräftig, obwohl zweifellos schon ein arbeitsreicher Tag hinter ihm lag.
Er beobachtete mich genau, während ich auf ihn zuging, und runzelte die Stirn.
»Was ist mit Euch geschehen?«
»Ich bin gefallen. Das hat keine Bedeutung.«
Borgia schien so wenig überzeugt, dass er nur stumm auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches deutete. Diese völlig unerwartete Ehre war sicher nur in seiner Angst begründet, dass ich sonst als Häufchen Elend vor seinen Füßen zusammensinken könnte.
Ich setzte mich nur auf die Kante und richtete mich kerzengerade auf. » Womit kann ich Euch dienen, Eure Eminenz?«
»Als Erstes könntet Ihr mir berichten, wie es um die Sicherheit im Haus meiner lieben Cousine steht.«
Damit hatte ich gerechnet und mir die Antwort bereits zurechtgelegt.
»Madonna Adriana war so freundlich, mich zu empfangen. Ich bat darum, bei allen Veränderungen wie der Einstellung neuer Diener und Ähnlichem sofort verständigt zu werden, und sie war einverstanden. Ich versicherte ihr, dass im Augenblick kein Grund zur Besorgnis bestehe.«
Ich hielt inne und sah den Kardinal an. »Ich hoffe sehr, dass ich damit recht habe?« Eine zweite Audienz in nur zwei Tagen war zwar eine große Ehre, aber es zeigte auch, dass den Kardinal etwas beschäftigte.
»Ich weiß zumindest von keiner besonderen Bedrohung«, antwortete er. »Allerdings …«
Ah, ja – nun kam es. Der Grund, warum er mich hatte rufen lassen. Oder, besser gesagt, der Grund, warum ich meine Tat überlebt hatte. Der Kardinal benötigte meine Fähigkeiten.
»Allerdings«, fuhr Borgia fort, »leben wir in unruhigen Zeiten. Die Gesundheit des Heiligen Vaters schwindet
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