Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ich erwartet, dass er, genau wie die anderen Kardinäle der Heiligen Mutter Kirche, kein Freund der Juden war.
»Geht dorthin«, befahl er. »Und denkt daran, dass Ihr
als meine Dienerin dorthin geht und nicht als die Tochter Eures Vaters. Ist das klar?«
Natürlich verhielt es sich ganz und gar nicht so, doch ich stimmte ihm zu.
Ich war bereits aufgestanden und ging zur Tür, als Borgia mir noch eine weitere Anweisung erteilte.
»Francesca«, sagte er.
Ich erschrak und fuhr so ungestüm herum, dass jeder Muskel in meinem geschundenen Körper zuckte und ich vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen musste.
»Eure Eminenz?«
»Von heute an geht Ihr nie mehr ohne Begleiter aus dem Haus.«
Dieser Begleiter würde mich überwachen und Borgia darüber unterrichten, wohin ich ging, wen ich aufsuchte und was ich tat. Ich rebellierte innerlich. Allerdings stimmte beim Gedanken an den Überfall ein kleiner Teil von mir der Beschränkung meiner Freiheit zu. Außerdem hatte ich keine Wahl. Der Wunsch des Kardinals war für mich ein Befehl.
»So sei es, Eure Eminenz.« Damit verließ ich das Zimmer.
5
Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang waren die Eingänge zum jüdischen Viertel geschlossen. Ich musste mich also bis zum kommenden Morgen gedulden. Und dann benötigte ich ein ausgedehntes heißes Bad, bis ich mich auch nur annähernd normal bewegen konnte.
Meine Rippen schmerzten noch immer sehr, doch von den anderen Verletzungen spürte ich eher ein dumpfes Pochen. Die Beule an meiner Stirn, zum Glück die einzige, war dunkler geworden und ließ sich gut unter einer Haarsträhne verstecken. Ich musste mich nur von meinem üblichen Zopf verabschieden.
Ich zupfte noch an meiner ungewohnten Frisur herum, als ich auf den Korridor trat und geradewegs mit Vittoro Romano zusammenstieß.
» Capitano , welche Überraschung.« Die Überraschung war umso größer, als Vittoro nicht seine übliche Uniform trug. In schlichtem Wams und Hose sah er wie ein normaler Händler aus.
» Buongiorno , Donna Francesca.« Er lächelte. »Ich hoffe, Ihr fühlt Euch heute Morgen besser.«
»Aber ja. Darf ich fragen, was Euch herführt?«
»Müsst Ihr nicht einen Auftrag außerhalb des Hauses erledigen?«
So war es – und genauso war der Hauptmann über den Wunsch des Kardinals unterrichtet, dass ich den Palazzo nicht ohne Begleitung verlassen sollte. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass Vittoro die Aufgabe selbst übernehmen wollte.
»Ich dachte vielmehr, dass Ihr mir einen Eurer Männer zuteilt«, sagte ich, als wir zur Treppe gingen. Ich hatte sehr gehofft, ihn überreden zu können, mir einen eher jungen, schüchternen Mann an die Seite zu stellen, mit dem ich leichteres Spiel gehabt hätte.
Ein Lächeln huschte über Vittoros ernste Miene, als ob er meine Gedanken erraten hätte.
»Ich war schon länger nicht mehr im jüdischen Viertel. Ich bin sehr neugierig, wie es heute dort aussieht.«
Ich wusste, worauf er anspielte. Vor fast drei Monaten hatten Ihre Katholischen Majestäten, König Ferdinand und Königin Isabella von Spanien, per Edikt alle Juden aus dem Land gewiesen. Seitdem hatten sich Tausende in alle Länder Europas und auch nach Rom geflüchtet. Hier, wie in allen anderen Städten auch, mussten die Juden in überbelegten Ghettos unterkommen, die schon vor dem Edikt aus allen Nähten geplatzt waren. Die Lebensbedingungen im Ghetto waren nie sonderlich gut, doch durch die drangvolle Enge verschlechterten sie sich von Tag zu Tag.
»Habt Ihr eine Vermutung, was uns bei der angegebenen Adresse erwartet?«, fragte ich, als wir auf die Straße traten. In der Nacht hatten heftige Regenschauer den Staub und den Schmutz vom Pflaster gewaschen, und die Luft war
deutlich abgekühlt. Ein leichter Wind trug den Duft der Zitronen- und Olivenhaine in der Umgebung bis weit in die Stadt hinein.
»Ich habe keine Vorstellung«, antwortete Vittoro so prompt, dass ich ihm glaubte. »Ich bin jedoch überzeugt, dass Ihr richtig handeln werdet, was auch immer es sei.«
Dass der Hauptmann so offen seine Zuversicht bekundete, überraschte mich. Im Grunde kannte ich ihn nicht sehr gut, sondern hatte ihn, seit ich im Palazzo lebte, immer nur beobachtet. Ich wusste jedoch, dass Vittoro ein Freund meines Vaters war und dass die beiden Männer regelmäßig miteinander Schach gespielt hatten.
»Ich danke Euch«, sagte ich leise. »Ich werde mein Bestes geben.«
Dank meiner Begleitung gelangten wir ohne jeden Zwischenfall in den Bezirk
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