Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
mehr wusste als unbedingt nötig war. Ich spreizte meine Finger ganz leicht, sodass nur er es sehen konnte, und hoffte, dass er meinen kleinen Hinweis verstand. Ich musste Morozzi unser Leben anvertrauen, aber was den Tod des Papstes anging, vertraute ich ihm nicht. Ob David das verstanden hatte, wusste ich nicht, doch er akzeptierte meine Entscheidung und nickte unmerklich.
Inzwischen hatte Morozzi eine braune Kutte hervorgeholt und hielt sie mir hin. »Ich wusste ja nicht, dass ihr zu zweit kommt. Ich habe nur eine mitgebracht.«
Ich schüttelte die Kutte aus braunem Wollstoff aus, die meine weiblichen Formen völlig verhüllen würde.
»Und wie verkleiden wir ihn?«, fragte ich und deutete auf David, bevor ich die Kutte überstreifte.
Ein Priester und ein Mönch konnten vielleicht ungehindert in die Engelsburg gelangen, aber ein Mann, der nicht die erkennbare Kleidung einer großen Familie trug, wurde sicher sehr genau überprüft.
»Einen Moment«, sagte Rocco und verschwand im hinteren Teil der Werkstatt, wo eine Treppe zu einem Lagerraum im oberen Stockwerk führte. Einige Minuten später kam er mit einem weißen Gewand und einem schwarzen Umhang zurück. »Das müsste passen«, sagte er und reichte David die Sachen.
»Aber das ist das Habit eines Dominikanermönchs«, wunderte sich Morozzi. »Woher habt Ihr das?« Offenbar wusste er nichts von Roccos Vorleben.
»Das ist irgendwann hier liegengeblieben«, antwortete Rocco knapp.
David zögerte einige Augenblicke, bevor er die Sachen überstreifte. Ich konnte seine Abneigung gegen das Habit verstehen, war es doch der Orden der Dominikaner, dem der spanische Großinquisitor Tomás de Torquemada, der Mitautor des Edikts der Katholischen Majestäten, angehörte. Leider gab es keine andere Möglichkeit, und David wusste es.
Das Habit verhüllte seine Gestalt von Kopf bis Fuß. Als er auch noch die Kapuze überstülpte, unterschied ihn nichts mehr von den zahllosen Kirchenmännern, die ungehindert zwischen der Engelsburg und dem Vatikan verkehrten.
»Ich danke Euch«, sagte ich leise und drückte Rocco die
Hand. Obwohl die Nacht warm war, waren seine Finger eiskalt. Mit einem Seitenblick auf die anderen zog er mich ein Stück zur Seite.
»Was auch immer Gottes Wille ist, Ihr habt alles gegeben, Francesca. Lasst mich an Eurer Stelle gehen. Erklärt mir nur, was ich tun muss.«
Bevor ich etwas entgegnen konnte, sprach er weiter. »Morozzi wird nichts dagegen haben. Dass Ihr eine Frau seid, behagt ihm ohnehin nicht. Und wenn Ihr Ben Eliezer bittet, mir zu vertrauen, bleibt ihm keine Wahl.«
Dass Rocco mir solch ein Angebot machte, verschlug mir den Atem. Er wollte nicht nur meinen Platz bei dem gefährlichen Vorhaben einnehmen, sondern war bereit, durch die Ermordung des Papstes eine große Schuld auf seine Seele zu laden. Das war mehr, als ich erwarten durfte. Genau wie Rocco glaubte ich fest daran, dass es Gottes Wille war, wenn Innozenz starb, bevor er Hunderttausende in Tod und Verderben stürzte. Was aber, wenn wir uns irrten? Ich war bereit, mein Seelenheil aufs Spiel zu setzen, aber Roccos Seele zu riskieren, kam nicht in Frage.
Außerdem gab es noch etwas anderes zu bedenken.
Ich lächelte, als ich ihm sacht über die stoppelige Wange strich.
»Ich danke Euch aus tiefstem Herzen. Ihr seid ein wahrer Freund. Aber Ihr seid auch ein Vater, und ich könnte nie verantworten, dass Nando als Waise zurückbleibt.«
Ich ließ meine Hand sinken und trat einen Schritt zurück. »Dies ist mein Kampf, Rocco, und ich muss ihn führen.« Ohne dass er noch etwas erwidern konnte, trat ich zurück zu den anderen.
Gleich darauf machten Morozzi, David und ich uns auf den Weg. Rocco stand an der Tür. Als ich an ihm vorbeiging, hob er die Hand. Ich fürchtete schon, dass er mich aufhalten wollte, aber dann ließ er sie sinken, und sein sorgenvolles Lächeln sagte mir, dass er hinnahm, was er nicht ändern konnte.
Der Priester eilte mit sicheren Schritten durch die Straßen. Vor Diebesbanden schien er sich nicht zu fürchten, und als wir einer begegneten, machten die Männer tatsächlich respektvoll Platz. Morozzi besaß die natürliche Autorität eines Menschen, der von der Natur reich beschenkt worden war. Diese Haltung in Verbindung mit seinem geistlichen Gewand schreckte alle ab, die es womöglich auf uns abgesehen hatten.
Wir gingen über die Pons Aelius, um den alten römischen Namen der Brücke zu verwenden, und steuerten direkt auf den Haupteingang der
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