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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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Engelsburg zu. Der mächtige, über der Brücke thronende Bau wurde von zahllosen Fackeln erhellt, deren silbriger Widerschein auf den kleinen Wellen des Flusses tanzte. Ich hätte erwartet, dass Morozzi einen geheimen Zugang kannte, wie es ihn oft in Gebäuden gab, die seit mehr als tausend Jahren existierten. Doch wenn er ihn kannte, so benutzte er ihn nicht. Stattdessen führte er uns ungerührt an den Wachsoldaten vorbei, ohne dass uns jemand aufgehalten hätte.
    Die Mauern, die hoch über uns emporragten, hätten nicht abschreckender sein können. Ursprünglich hatte man an dieser Stelle ein Mausoleum für Kaiser Hadrian und seine Familie errichtet. Die Eleganz der klassischen Architektur war zwar noch hier und da zu erahnen, doch im Lauf der
Jahrhunderte hatte man das Mausoleum zu einer Burg mit Garnison und Gefängnis umgebaut und erweitert. Im Hof des Erlösers – welch ironischer Name für alle, die diese Burg nicht mehr lebendig verließen – hatte ich das Gefühl, als ob die Wände uns bedrängten und jede Hoffnung vernichteten. Von hier aus führte der Weg ein wenig abwärts in die große Empfangshalle. Die Temperatur sank augenblicklich, und ich erschauerte, nicht nur wegen der Kälte. Auch hier ließen uns die Wachen ungehindert passieren.
    »Man kennt Euch offenbar gut«, sagte ich leise zu Morozzi.
    Er nickte.
    »Es war ein hartes Stück Arbeit. Nur das Alltägliche erregt keine Aufmerksamkeit.«
    Wir kamen an der übergroßen Statue des Hadrian vorbei, besser gesagt an dem Rest, der noch davon übrig war, nachdem die Westgoten unter Alarich die Stadt geplündert hatten. Der Kaiser schien vorwurfsvoll auf uns als die Nachkommen derer herabzusehen, die sein Erbe nicht bewahrt hatten.
    Unmittelbar vor uns begann der spiralförmig gewundene Aufgang, den frühere Generationen um die zylindrische Burg errichtet hatten, um die oberen Ebenen zu erreichen. Fackeln in eisernen Ringen erhellten unseren Weg, während wir über das alte schwarzweiße Pflaster an halb verfallenen Säulen vorbei, Zeugen großartigerer Zeiten, nach oben gingen.
    Wie allen Römern so war auch mir bekannt, dass auf der unteren Ebene der Burg die Gefängniszellen waren. Da ich keine Türen entdecken konnte, stimmte offenbar, was man sich erzählte. Anscheinend wurden die Gefangenen tatsächlich
an einem Seil in ihre Zellen hinabgelassen. Wenn ich von den Ereignissen der letzten vierundzwanzig Stunden nicht schon so benommen gewesen wäre, hätte mich der Gedanke mit Entsetzen erfüllt. Aber so war ich froh, dass David mit seiner ruhigen Art an meiner Seite war.
    In der Ebene darüber waren die Waffenkammern und die Quartiere der Soldaten untergebracht. Endlich kamen wir wieder an die frische Luft und gingen durch mehrere Innenhöfe. Zuvor mussten wir jedoch die fensterlose Krypta durchqueren, wo einst die kaiserlichen Gebeine aufbewahrt waren. Obgleich davon nichts mehr zu sehen und das Grab mehrere Male geplündert worden war, konnte man die Kühle des Todes noch immer spüren.
    Ich atmete etwas leichter, als wir endlich den Ehrenhof erreichten. Da die Burg nicht nur als Gefängnis, sondern auch als militärische Befestigung diente, standen hier mächtige Kanonen bereit, die man auf die Stadt ausrichten konnte, um möglichen Angreifern den Zugang zu erschweren. Sämtliche Quartiere der Offiziere und Mannschaften gingen auf diesen Hof hinaus. Ich konnte nur hoffen, dass nicht zufällig einer der Soldaten aus dem Fenster sah und uns bemerkte.
    Bevor wir den Hof verließen, sah ich noch schnell zu der Statue empor, die sich über der Burg erhob. Der Erzengel Michael in all seiner Pracht, der das Schwert in die Scheide schob, nachdem der Sieg über die Pest errungen war, die Rom vor fast tausend Jahren heimgesucht hatte. Nach dem Ende der Seuche wurde die Burg dem Heiligen geweiht, und seitdem gebot sein Bildnis, oder eine der vielen Nachbildungen, über die Stadt. Gegen den Sternenhimmel konnte
ich seine Umrisse ausmachen und sprach ein stilles Gebet, dass seine Stärke uns beistehen möge.
    Anschließend durchquerten wir die Messe der Offiziere, wo einige Männer an großen Tischen saßen und gleichmütig zu uns herübersahen. Verschiedene Darstellungen des Krieges und zahlreiche Banner schmückten die Wände. Auch hier sprach uns niemand an.
    Mir blieb also Zeit genug, um insgeheim die geniale Anlage zu bewundern, die alle Eindringlinge nach Überwindung der Mauern unweigerlich hierher in das Herz der militärischen Macht führte, wo

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