Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
einer nach dem anderen niedergemacht wurde.
Nachdem wir die Messe hinter uns gelassen hatten, beschleunigte Morozzi seine Schritte. Offenbar wollte er möglichst schnell unseren Bestimmungsort erreichen. David und ich mussten fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Ist es noch weit, Pater?«, fragte ich.
Morozzis Gesicht wirkte erhitzt, und er hatte einen harten Gesichtsausdruck. Er schüttelte den Kopf.
»Wir sind gleich da.«
Ich nickte nur und versuchte, mich auf das Kommende vorzubereiten. Nicht mehr lange, und ich musste Morozzi sagen, wonach ich in Wirklichkeit suchte. Ich musste die Jungen finden, die man zur Ader ließ, und dann das Blut gegen das mitgebrachte austauschen. Falls ein Arzt oder jemand anders die Kinder bewachte, mussten wir sie unschädlich machen. Der Gedanke behagte mir zwar nicht, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wenn Alarm geschlagen, vom normalen Ablauf abgewichen würde, würde man uns die gesamte Garnison auf den Hals hetzen.
Wir passierten einen Raum, dann einen weiteren. Vor dem nächsten hielt Morozzi inne und hob die Hand. Vorsichtig ging er voraus und warf einen Blick hinein. Dann gab er uns ein Zeichen, dass wir eintreten konnten. David ging voran, und ich folgte ihm. Als ich an Morozzi vorbeiging, griff er blitzartig zu und riss mir die Kette samt Medaillon über den Kopf. In der nächsten Sekunde versetzte er mir einen heftigen Stoß.
»Was tut Ihr …?«, stieß ich hervor, doch im Grunde wusste ich es längst. Der Zutritt zur Burg war viel zu reibungslos verlaufen. Was ich für Gottes Segen hielt oder womöglich für Glück, war in Wirklichkeit Verrat.
Morozzi riss an einem Hebel, der sich neben dem Eingang befand, und augenblicklich senkte sich ein eisernes Gitter herab und schloss uns ein.
» Deus vult! «, schrie der Priester in religiösem Eifer. Gott will es! Der Schrei der Kreuzfahrer und Inquisitoren und eine rechtfertigung für alle Verbrechen, die im Namen des Erlösers verübt werden.
David hechtete in einem gewaltigen Satz quer durch den Raum und wollte sich unter dem Gitter hindurchrollen, bevor es sich schloss. Er hätte es auch beinahe geschafft. Eine Sekunde lang sah Morozzi erschrocken aus. Doch das Gitter berührte den Boden, bevor David sich hindurchrollen konnte, und er blieb bäuchlings zu Füßen des Priesters liegen.
Außer sich vor Freude warf Morozzi den Kopf in den Nacken und jubelte:
»Zuerst Giordano, und jetzt auch noch seine Tochter und einen Juden! Ich werde denjenigen vernichten, der Euch
geschickt hat, und den Zorn der Christenheit auf die Verräter Unseres Herrn loslassen! Ihr …«
Meine Hände umklammerten die eisernen Stangen, während ich den Priester anstarrte. Ein fürchterlicher Verdacht stieg in mir auf. Von dem Augenblick an, in dem ich das Geständnis des Gefolterten im Keller vernommen hatte, hatte ich Zweifel gehegt. Aber die Wahrheit hätte ich mir nicht träumen lassen.
»Was meint Ihr damit: zuerst Giordano? Hat Innozenz den Tod meines Vaters befohlen … oder wart das Ihr?«
»Innozenz?« Morozzi spuckte den Namen förmlich aus. »Dieser ekelhafte Greis greint doch nur über seine Sünden und fleht, dass ich ihm einen Ausweg aus der Verdammnis zeigen soll, die er wahrlich verdient.«
Mir wurde eiskalt. Obwohl tiefster Hass ihn beseelte, sah Morozzi noch immer wie ein Engel aus. Aber einer, der, wie ich jetzt begriff, ein tödliches Schwert schwang.
Ich war außer mir.
»Und was habt Ihr ihm gesagt? Dass er gerettet wird, wenn er die Juden zum Tode verurteilt?«
»Gottes Wille offenbart sich durch mich!«, verkündete der Verrückte. »Er hat mich gesandt. Alle Gegner des Christentums haben den Tod verdient, weil sie Unseren Herrn gequält und getötet haben.«
David hatte genug gehört. Mit aller Macht warf er sich gegen das Gitter, doch Morozzi rettete sich gerade noch rechtzeitig mit einem Sprung, bevor ihn David durch die Stäbe zu fassen bekam.
»Gott beschützt mich!«, schrie Morozzi. »Ich vollende Sein heiliges Werk!«
Begreift Ihr jetzt, dass diejenigen, die tausendfach morden, immer Gott auf den Lippen führen, während alle, die nur hin und wieder töten müssen, wie ich zum Beispiel, in ihrem Herzen wissen, dass Gott um jede unserer Sünden weint?
Morozzis Gewissen beschwerte keine solche Last. Nachdem er uns in die Falle gelockt hatte, verschwand er – um die Wachen zu alarmieren, wie ich vermutete – und überantwortete uns der Folter, der wir jetzt nicht mehr entrinnen
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