Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
ausgestattet mit neueren, georgianischen Schiebefenstern, der andere besaß noch die älteren, längs unterteilten Fenster. Die Vordertür war mittelalterlich und massiv – dunkle Eiche mit geschwärzten eisernen Beschlägen und Verzierungen.
Kein Diener kam herausgeeilt, um sie in Empfang zu nehmen. Der junge Bursche half Emma beim Absteigen, während ihr Vater zur Tür ging und drei Mal mit seinem Spazierstock dagegenklopfte.
Etwa eine Minute später wurde die Tür von einem Diener, einem älteren Mann Ende fünfzig, ein paar Zentimeter weit geöffnet.
»Ja?«, fragte er und blickte von ihrem Vater zu dem Eselkarren und den Koffern.
»Ich bin Mr Smallwood und das ist meine Tochter, Miss Smallwood.«
Der Diener blinzelte. »Werden Sie erwartet?«
»Ja. Ich bin hier, um die jüngeren Weston-Söhne zu unterrichten.«
Der Mann runzelte die Stirn, sah ihren Vater an und biss sich offensichtlich ratlos auf die Lippen.
»Wer ist denn da, Davies?«, fragte eine Frau hinter der Tür. Die Stimme klang vornehm und gebildet.
Der Diener wandte den Kopf und antwortete: »Er sagt, sein Name sei Smallwood, Mylady. Sagt, er sei der neue Lehrer.«
»Lehrer? Welcher Lehrer?«
Als Emma hörte, wie ungläubig die Stimme der Frau klang, krampfte sich ihr Magen zusammen. Sie öffnete ihr Handtäschchen, um den Brief von Sir Giles hervorzuholen und als Beweis für ihre Einladung vorzuzeigen. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie von ihm würde Gebrauch machen müssen.
Der Diener trat von der Tür zurück und anstelle seines Gesichts erschien das einer hübschen Frau im Abendkleid. Ihr Haar jedoch, fiel Emma auf, wirkte leicht zerzaust und sie hielt die Tür so weit wie möglich geschlossen.
Sie fragte: »Mr Smallwood, sagen Sie?«
Ihr Vater nahm seinen Hut ab und verbeugte sich. »John Smallwood. Und Sie sind Lady Weston, nehme ich an. Wir sind uns noch nicht persönlich begegnet, aber ich hatte das Vergnügen, Ihre Söhne Henry und Phillip in meinem Pensionat in Longstaple zu unterrichten.«
»Meine Stiefsöhne. Ja. Ich erinnere mich an Ihren Namen.«
Ihre Haltung schien kurz ins Wanken zu geraten durch verschiedenartige Gefühle, die aufflackerten und vorübergingen, bevor Emma sie deuten konnte. Dann rang sich die Frau ein entschuldigendes Lächeln ab. »Es tut mir leid, aber wir haben Sie nicht erwartet.«
Emma spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Im Dämmerlicht konnte sie den Gesichtsausdruck ihres Vaters nicht erkennen, doch seine Stimme klang plötzlich defensiv. »Ach nein? Aber Sir Giles hat vorgeschlagen, dass meine Tochter und ich Ihre beiden jüngeren Söhne hier, in ihrer gewohnten Umgebung, unterrichten.«
Eine geschwungene Braue hob sich. »Hat er das?«
»Ja. Wir haben vor vierzehn Tagen zurückgeschrieben und sein Angebot angenommen.«
Emma fügte hinzu: »Und wir haben Ihnen unsere Ankunftszeit mitgeteilt.«
Lady Weston warf ihr einen Blick zu, wandte sich jedoch an ihren Vater. »Er muss vergessen haben, es mir zu sagen.« Sie schaute rasch über ihre Schulter, dann sagte sie: »Leider kommen Sie zu sehr ungelegener Zeit.« Sie betrachtete die Koffer. »Andererseits kann ichSie wohl kaum bitten, zu einem anderen Zeitpunkt wiederzukommen … angesichts der späten Stunde …«
Ihr Vater richtete sich steif auf. »Es tut uns sehr leid, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten, Mylady. Vielleicht kann der junge Mann uns mit zurücknehmen ins Dorf …«
Plötzlich ertönte hinter der Tür eine andere Stimme. Eine leise, männliche Stimme. »Was? Wer? … Du meine Güte. Ich habe ganz vergessen, dass das heute ist … Ich weiß, aber ich kann es auch nicht ändern.«
Die Tür wurde ein wenig weiter geöffnet und zum Vorschein kam der etwa fünfzigjährige Sir Giles in Abendkleidung, wenngleich ohne Krawatte, sodass die welke, lockere Haut seines alternden Halses zu sehen war, die wirkte, als sei sie in seinen Hemdkragen gefaltet.
»Mr Smallwood. Bitte verzeihen Sie mir diesen Empfang. Es ist ganz allein meine Schuld. Ich fürchte, Kommunikation gehört nicht zu meinen Stärken, wie die liebe Lady Weston nicht müde wird, mir vorzuhalten – mit gutem Grund, wie ich meine.« Er neigte entschuldigend den Kopf und blickte sie unter buschigen Augenbrauen hervor an. »Bitte treten Sie doch ein.«
Ihr Vater wandte sich halb zu ihr hin. »Erinnern Sie sich an meine Tochter Emma?«
Die Augen des Baronets weiteten sich. »Das ist die kleine Emma? Du meine Güte, als ich sie das letzte Mal sah, war sie
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