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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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saßen im Salon und nahmen ein einsames, spätes Abendbrot ein. Dann kam die Haushälterin, eine Kerze in der Hand, um sie auf ihre Zimmer zu führen.
    »Sie sind im Südflügel untergebracht«, sagte Mrs Prowse, während sie quer durch die Halle auf eine schlichte georgianische Treppenflucht zugingen, ein weiterer Anbau an die sehr viel ältere Haupthalle.
    Auf dem ersten Treppenabsatz blieb ihr Vater stehen und blickte nach oben. Emma folgte seinem Blick; er betrachtete die hohe Decke mit ihren alten, massiven, pechschwarzen Fachwerkbalken.
    Er fragte die Haushälterin: »Wie alt ist das Herrenhaus?«
    Mrs Prowse wandte sich um und machte eine weit ausholende Armbewegung. »Die Halle selbst ist ungefähr dreihundert Jahre alt. Sie bildet das ursprüngliche Hauptgebäude, abgesehen von den Seitenflügeln für die Hauswirtschaftsräume und die Stallungen. Doch im Laufe der Jahrhunderte kamen weitere Flügel und Stockwerke hinzu.«
    Ah , dachte Emma. Das erklärte die disharmonische Mischung aus mittelalterlicher, georgianischer und Tudor-Architektur, die ihr sowohl an der Fassade des Hauses als auch in seinem Innern aufgefallen war.
    Die Haushälterin, eine Frau mittleren Alters, führte sie zwei knarrende Treppen hinauf und blieb dabei zwei Mal stehen, um die Kerzen auf jedem Absatz anzuzünden. »In dieser Richtung liegt der Nordflügel«, sagte sie und machte eine Bewegung mit dem Kinn. »Sie dürfen ihn auf keinen Fall betreten.« Damit wandte sie sich in die entgegengesetzte Richtung und führte sie einen langen Korridor entlang, dessen Fußboden sich scheinbar im Laufe der Jahre verzogen und eine leichte Abwärtsneigung angenommen hatte.
    Etwa in der Mitte des Ganges blieb sie vor einer Tür stehen. »Dies ist Ihr Zimmer, Mr Smallwood. Miss Smallwoods Zimmer liegt um die Ecke, am Ende des anderen Ganges.«
    Ihr Vater runzelte die Stirn. »Können Sie uns nicht etwas näher beieinander unterbringen?«
    Da Emma bewusst war, wie viel zusätzliche Arbeit die Haushälterin und ihre Mädchen bereits durch ihre unverhoffte Ankunft gehabt hatten, warf sie rasch ein: »Ist schon gut, Papa. Wir werden schon zueinanderfinden.«
    Mrs Prowse nickte billigend und fuhr dann formell fort: »Sie haben keinen eigenen Diener, oder, Mr Smallwood?«
    »Nein, leider nicht. Aber ich brauche nicht viel Hilfe.«
    »Unser Lakai, Jory, wird Sie bedienen. Und Sie, Miss? Sie sind ohne Mädchen gereist?«
    »Ja.« Zu Hause hatten Mrs Malloy oder Nancy, ihr Mädchen, ihr beim Ankleiden geholfen. Frisiert hatte Emma sich immer selbst.
    »Dann schicke ich Ihnen das zweite Hausmädchen hinauf.«
    Emma empfand ein leichtes Unbehagen, wie immer, wenn sie auf fremde Hilfe angewiesen war. Doch so war es nun einmal. Ihr Korsett war hinten geschnürt und die meisten ihrer Kleider ebenfalls. »Danke«, murmelte sie.
    Mrs Prowse wollte sich schon umdrehen, da hob sie plötzlich einen Finger. »Ach, bevor ich es vergesse. Sie beide werden ihre Mahlzeiten im Büro des Verwalters einnehmen. Mr Davies erwartet Sie.«
    »Ich verstehe. Danke.« Emmas Vermutung, dass sie auf Ebbington Manor nicht viel höher gestellt sein würden als die Dienerschaft, waroffenbar richtig gewesen – eine Erkenntnis, die sie allerdings nicht erfreute.
    Sie sagte ihrem Vater Gute Nacht und folgte der Haushälterin. Ihr Weg führte sie um die Ecke und dann einen engen Flur entlang. Als sie aufblickte, fielen ihr eine Reihe alter, in der Höhe, fast unter der Decke angebrachte Porträts auf, deren zahlreiche Augenpaare im flackernden Kerzenlicht auf sie hinunterblickten. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Plötzlich wünschte sie wie ihr Vater, dass ihre Zimmer näher beieinanderlägen.
    Schließlich öffnete Mrs Prowse eine Tür fast ganz am Ende des Ganges. Emma betrat den Raum und stellte erfreut fest, dass auf dem Nachttisch eine Kerze brannte und im Kamin ein Feuer angezündet war.
    »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie noch irgendetwas brauchen«, sagte die Frau. Plötzlich klang sogar ein Hauch von Freundlichkeit in ihrer Stimme mit.
    »Danke«, sagte Emma abermals; allmählich kam sie sich vor wie ein Papagei, der nur dieses eine Wort kannte. Sie lächelte, um ebenfalls ein wenig freundlicher zu wirken.
    Die Haushälterin versicherte Emma noch einmal, dass das Mädchen kommen werde, um ihr zu helfen, dann ging sie hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Emma trat weiter ins Zimmer hinein und sah sich um. Ihr Koffer stand neben dem Schrank, doch sie hatte heute Abend

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