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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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nicht mehr die Kraft, ihn noch auszupacken. Zum Glück war sie so umsichtig gewesen, ein Nachthemd, Kamm und Zahnpulver in ihrem Handgepäck zu verstauen; das musste erst einmal genügen.
    Sie hatte die Sachen gerade auf den Waschtisch gelegt, als es leise klopfte. Emma drehte sich um. »Ja?«
    Die Tür öffnete sich knarrend und der Kopf eines Mädchens erschien. »Darf ich reinkommen?«
    Emma war überrascht, dass das Mädchen fragte. »Natürlich.«
    Die junge Frau lächelte verschmitzt; ihr hübsches, sommersprossiges Gesicht war umrahmt von dichten, schwarzen Locken. Sie trugkeine Schürze und ihr elfenbeinfarbenes Kleid wirkte viel zu fein für ihre Stellung.
    »Sie sehen nicht wie ein Hausmädchen aus«, platzte Emma heraus.
    Das Mädchen knickste. »Danke, Miss. Ich bin auch kein Hausmädchen.«
    Emmas Gesicht wurde heiß. »Verzeihen Sie. Die Haushälterin hat gesagt, sie wolle mir gleich das Hausmädchen heraufschicken.«
    »Ja? Gut. Ich hatte schon Sorge, das alte Ding würde es vergessen und Sie müssten sich selbst behelfen. Deshalb wollte ich kurz reinschauen und nachsehen, ob Sie Hilfe brauchen. Ich habe ebenfalls keine Zofe, mir hilft auch immer das Hausmädchen.«
    »Ich verstehe.« Emma wartete, dass die junge Frau sich vorstellte, doch sie stand einfach da und lächelte. Ein hübsches Mädchen, dachte Emma. Sie musste etwa siebzehn sein, etliche Jahre jünger als Emma.
    Schließlich ergriff Emma die Initiative: »Darf ich mich vorstellen? Ich bin Miss Emma Smallwood.« Sie hob erwartungsvoll die Augenbrauen.
    »Oh!«, rief das Mädchen aus. »Verzeihen Sie! Wie dumm von mir. Ich bin Lizzie. Lizzie Henshaw.«
    Emma wartete auf einen Zusatz, der ihre Beziehung zur Familie erläuterte. Als nichts weiter kam, soufflierte sie: »Und Sie sind …?«
    Das Mädchen holte überrascht Luft. »Sie haben noch gar nicht von mir gehört?« Sie schnaubte entrüstet. »Diese Jungs! Aber ich hätte es wissen müssen. In bin Lady Westons Mündel. Ich dachte, Sie wüssten das. Ich lebe schon über drei Jahre hier. Phillip hat also nie von mir gesprochen?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Angesichts des niedergeschlagenen Gesichtsausdrucks des Mädchens fuhr Emma rasch fort: »Ich habe Phillip seit über drei Jahren nicht gesehen, es ist also gut möglich, dass er von ihnen gesprochen hat und ich es nur vergessen habe.«
    Doch Lizzie zuckte nur gleichmütig die Achseln. »Schon gut. Wenn er tatsächlich von mir gesprochen hat, dann bestimmt nichtsehr respektvoll. Er hat mich sowieso immer nur geneckt. Aber so sind junge Männer nun mal.«
    Lizzie legte den Kopf schräg; ihre dunklen Augen blitzten. »Apropos. Haben Sie die Zwillinge schon kennengelernt?«
    »Nein.«
    »Ihr Vater wird alle Hände voll mit ihnen zu tun haben.«
    »Ach ja? Warum?«
    »Sie sind es nicht gewöhnt, den ganzen Tag im Schulzimmer zu sitzen. Zumindest nicht, seit ihre Gouvernante mit dem Zeichenlehrer durchgebrannt ist. Und das ist schon ein paar Jahre her.«
    »Ich dachte, Sir Giles hätte einen Latein- und Griechischlehrer erwähnt?«
    »Mr McShane?« Das Mädchen nickte. »Der Pfarrer kommt jede Woche für ein paar Stunden. Er sieht ganz gut aus, vielleicht ein bisschen – wohlgenährt.«
    »Aber er ist ein guter Lehrer?«
    Lizzie zog die sommersprossige Nase kraus. »Woher soll ich das wissen? Ich gehe manchmal an der Bibliothek vorbei und werfe einen Blick hinein, aber was er sagt, klingt sowieso nur wie Kauderwelsch für mich.«
    Wie traurig , dachte Emma. Aber sie wusste natürlich, dass Dinge wie Latein und Griechisch für die meisten Frauen nur »Kauderwelsch« waren und dass die Männer – und die Mehrheit der Frauen – es auch am liebsten so belassen würden.
    Lizzie fuhr fort: »Doch ansonsten sind die Jungen praktisch völlig verwildert. Sie sind viel schlimmer als ihre älteren Brüder.« Sie zuckte die Achseln. »Aber wie schon gesagt, Jungen sind nun einmal so.«
    »Nun gut. Ich denke, wir werden sie morgen kennenlernen.«
    Es klopfte erneut und ein zierliches Hausmädchen in Haube und Schürze trat ein. Sie knickste und zögerte dann, als sie Lizzie sah.
    »Hast du mich gesucht, Morva?«, fragte Lizzie.
    »Ja, Miss. Ich war in Ihr'm Zimmer und hab auf Sie gewartet. Ihre Ladyschaft hat gesagt, ich soll zuerst zu Ihnen geh'n.«
    »Schon gut«, sagte Lizzie. »Hilf zuerst Miss Smallwood. Ich hab's nicht eilig und sie muss völlig erschöpft sein.«
    Das Hausmädchen biss sich auf die Lippen.
    »Mach schon.« Lizzie deutete

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