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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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er.
    »Mitnichten, Euer Heiligkeit«, erwiderte der Arzt. »Ihr müsst Euch unbedingt Ruhe gönnen.«
    »Das kommt gar nicht in Frage. Zu viel Arbeit wartet auf Uns. Meint Ihr, Wir können die Reformation vom Krankenbett aus aufhalten?«
    »Gott der Vater hat auch am siebten Tage geruht«, wandte der Medicus ein. »Dann könnt Ihr es ebenfalls.«
    Der Heilige Vater erhob sich zu voller Größe und knöpfte sein Gewand zu. Der Medicus wich unwillkürlich zurück. »Wir wollen die Welt nicht erschaffen«, sagte er mit dröhnender Stimme. »Wir wollen sie erhalten. Also schert Euch zum Teufel!«
    Zerknirscht räumte der Medicus das Feld.
    »Elender Kurpfuscher!« Der Papst rief Gazetti zu sich. »Was hat der heutige Tag für Uns vorbereitet?«
    Und während Gazetti dem Papst den Tagesablauf erläuterte, hatte Giulia Zeit, sich über die neuesten Entwicklungen Gedanken zu machen. Es schien, als hätte sich nicht allein der Papst in Carafa getäuscht. Auch sie selbst, Fulvia und Geller hatten dem Kardinal Unrecht getan. Carafa wirkte zwar kaltblütig und unnahbar, doch durfte man sich davon nicht täuschen lassen. Seine Treue und sein Gehorsam gehörten allein der Kirche und dem Heiligen Vater. Dies hatte er nun unwiderlegbar unter Beweis gestellt.
    Wie würde es nun weitergehen? Vermochte Carafa es tatsächlich, die Feinde des Papstes aufzuspüren und unschädlich zu machen? Konnte er das Leben des Heiligen Vaters schützen? Die Zukunft musste es zeigen.

21
    Tage vergingen, Wochen, Monate. Die Welt war im Wandel, die Reformation fand stetig neue Anhänger und breitete sich vom Norden des Reiches immer weiter gen Süden aus. Längst waren in der Lombardei die ersten lutherischen Kirchen errichtet. Die Calvinisten verbreiteten ihren Glauben von Genf aus in alle Himmelsrichtungen. Ihre Lehre, dass Jesus Christus nicht am Kreuz gestorben war, um alle Menschen zu erlösen, sondern nur auserwählte Sünder, fand vor allem Gehör bei den einfachen Menschen, den Handwerkern, den kleinen und unfreien Bauern. Die Jesuiten, gründeten mit finanzieller und theologischer Unterstützung des Papstes Ordenshäuser, Schulen und Universitäten in ganz Europa. Von dort aus arbeiteten sie mit aller Macht an einer Gegenreformation. Sie pflegten Predigt und Seelsorge und gingen mit ungewohnter Nachsicht auf die Gläubigen zu. Während sie in vielen Gebieten nur geringe Erfolge zu verzeichnen hatten, gelang es ihnen in Polen, die weit um sich greifende Reformation mit Hilfe des Königshauses und des Adels aufzuhalten und zurückzudrängen.
    Von all dem wusste Giulia in Rom kaum etwas. Zwar war sie anwesend, wenn jesuitische Ordensleute bei Seiner Heiligkeit Bericht erstatteten, doch verstand sie nicht viel von dem, was gesagt wurde. Zudem verfügten die Jesuiten über eine eigene Sprache, die voller Bilder und Metaphern war, sodass Giulia irgendwann kaum noch zuhörte.
    Die Briefe, die sie von Mutter Rufina aus Santa Annunziata erhielt, gaben Giulia noch immer den Trost, den sie in Rom brauchte. Doch allmählich hatte sie sich an das Leben hier gewöhnt. Es tat ihr gut, dass der Papst sie schätzte und sogar sehr zu achten schien, obwohl ihr diese väterliche Zuneigung zugleich auch Furcht einflößte. Wusste sie doch, dass allzu große Nähe zu den Mächtigen auch eine Gefahr darstellte. Und obwohl sie mitunter glaubte, Seine Heiligkeit gut zu kennen, verblüffte er sie oft mit Unberechenbarkeit und Härte. So ließ er Diebe ohne Anhörung hinrichten, ließ, wenn er gnädig gestimmt war, Lutheraner am Leben und fällte Todesurteile gegen Ehebrecher, Kuppler, Verleumder, Homosexuelle.
    Die Gesundheit des Papstes ließ jedoch von Tag zu Tag nach. Oft war er derart kränklich, dass er das Bett nicht verließ. Sein Körper verwelkte wie die Rosen in seinen Gärten im Herbst. Doch sein Geist zeigte sich noch immer rege und stark.
    An einem Tag im späten April des Jahres 1590, Giulia war seit nunmehr acht Monaten in Rom, nahm Gazetti sie beiseite, nachdem sich der Papst in sein Schlafgemach zurückgezogen hatte.
    »Bereitet Euch auf die Reise nach Grottammare vor, Schwester«, sagte Gazetti.
    »Ich verstehe nicht, Monsignore«, sagte Giulia.
    »Seine Heiligkeit will seine Heimat noch ein letztes Mal sehen«, erklärte Gazetti. »Es ist an der Zeit für diese letzte Reise.«
    Da fiel Giulia ein, dass der Papst ihr selbst vor einigen Monaten von diesem Vorhaben berichtet hatte. »Gut«, sagte sie. »Wann brechen wir auf, Monsignore?«
    »In vier

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