Die Tochter des Ketzers
schlagen sie sich gegenseitig die Köpfe ein. Ob das freilich gut christlich ist?«
Caterina mochte ihm nicht antworten. Sie verstand Akils Hader – und doch: Wenn er nicht von sich selbst sprach, sondern von Heiden, so wähnte sie hinter diesem Wort etwas Schreckliches verborgen, Menschen ohne jeglichen Anstand, noch grausamer, als es Gaspares Männer sein konnten, noch viel gottloser.
»Was weißt du von Gaspares Mutter?«, lenkte sie ab.
Eben noch in seinen Gedanken brütend, blickte Akil überrascht hoch. In der Schwärze des Raumes schien die Haut seines Gesichts noch dunkler zu werden.
»Er hat von ihr gesprochen?«, fragte er erstaunt.
»Ja«, erklärte Caterina, immer noch von Gaspares absonderlicher Offenheit verwirrt, derer sie Zeugin geworden war, »ja, er hat überlegt, ihr einen Brief zu schreiben. Aber dann war er sich nicht sicher, ob sie sich darüber freuen würde.«
Akil zuckte die Schultern. »Seltsam«, murmelte er. »Sehr selt- sam ... Für gewöhnlich spricht man in seiner Gegenwart nicht über sie. Er hat’s verboten. Ich habe nur einmal gehört, wie über sie getuschelt wurde. Es heißt, sie stamme aus Lerici. Und es heißt, sie habe nach dem Tod von Gaspares Vater ein zweites Mal geheiratet ... und dass dieser zweite Gatte etwas mit Gaspares Kerkerhaft zu tun hätte.«
»Was hat es damit auf sich, dass er im Kerker war? War er damals tatsächlich noch ein Kind? Und wie kann es sein, dass man ein Kind nicht aus dem Kerker befreite?«
Akil lächelte schal. »Auf dieser Welt gibt es keine Grausamkeit, die nicht denkbar ist.«
»Er ... er deutete an, dass er lange Zeit im Dunkeln gehockt hat. Und das als Knabe!«
Akil nickte betrübt; Ray hingegen, der sich bisher nicht an der Unterhaltung beteiligt hatte, fuhr mürrisch auf: »Sag, bist du verrückt geworden, Caterina? Du klingst so, als hättest du Mitleid mit dieser Ausgeburt der Hölle. Pah!«
Überrascht wandte sie sich ihm zu. »Aber er war damals doch ein Knabe, Ray! Ein unschuldiges Kind!«
»Ja, und?«, rief Ray giftig. »Was ist er jetzt, wenn nicht unser schlimmster Feind? Er ist ein Ungeheuer, ein schreckliches Ungeheuer! Obgleich ich heute so viel für ihn getan habe, hat er uns nicht endgültig die Freiheit versprochen, sondern die Entscheidung darüber aufgeschoben. Und er hat dich seinen Männern zum Fraß vorgeworfen wie ...«
Caterina erstarrte. »Nicht!«, fuhr sie dazwischen.
»Wenn du nicht willst, so werde ich es nicht aussprechen. Aber du solltest nicht vergessen, was Gaspare dir angetan hat«, beharrte Ray grimmig.
Sie vergrub ihren Kopf zwischen den Knien, so wie Akil es nun tat. »Das werde ich nicht«, murmelte sie leise. »Aber ich werde auch nicht vergessen, dass du es warst, der mich auf Davides verfluchtes Schiff geschleppt hat.«
»Hört, hört, meine fromme Base flucht!«
Es war ihr gleichgültig. Wie sie da saßen, im Finstern und in abgestandener Luft, mit einem schwitzenden Verwundeten und selbst klebrig, weil sie sich seit Wochen nicht gewaschen hatten, da hatte sie das Gefühl, dass ein Fluch sie nicht noch mehr beschmutzen könnte. Freilich wollte sie Ray keinen Spott erlauben.
»Ich wollte nicht fluchen. Gott vergib mir.«
Rays Spott verflüchtigte sich. »Und ich ... ich wollte nicht, dass dir ... das geschieht. Ich hätte alles getan, um es zu verhindern. Gaspare hingegen nicht. Du warst ... du bist ihm völlig gleich. Du musst kein Mitleid mit ihm haben, du ganz gewiss nicht.«
Sie hatte kein Mitleid. Sie durfte keines haben. Nicht aus den Gründen, die Ray benannte, sondern weil es nach einem viel zu weichen Gefühl schmeckte. Würde sie erst einmal davon zu kosten beginnen und seine sanfte Süße erfassen – wer sollte sie vor all dem Bitteren, Salzigen, Sauren bewahren, das ihr das Leben noch auftischen würde? Nein, sie wollte an dieser Tafel gewiss nicht Platz nehmen, verschloss ihre Lippen, nickte nur.
Ray schien noch etwas sagen zu wollen, doch just in diesem Augenblick regte sich der verwundete Mann und stöhnte erbärmlich.
»Hoffentlich kommt kein Fieber«, murmelte Akil.
Das Fieber verschonte den Unglückseligen zwar nicht, aber es brachte nur Schwäche und Müdigkeit, keinen Kampf um Leben und Tod. Ray fuhr damit fort, seine Wunde zu reinigen, seine Stirn zu kühlen, und am dritten Tage stand fest, dass er die Verwundung überstehen würde.
Als Gaspare Caterina zu sich rief, erwartete sie, dass er darüber erleichtert sein würde, dass er seine Zusage bekräftigen
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