Die Tochter des Ketzers
sonderlich anders war das Gespräch verlaufen als jenes erste, das Caterina mit ihm geführt hatte. Nicht das geringste Entgegenkommen hatte Gaspare gezeigt, nur grausame Worte gesprochen, um am Ende doch so etwas wie ein Versprechen abzugeben und sich – zumindest in ihrem Fall – daran zu halten.
Caterina neigte sich zu Ray. »Ray ... Ray ... weißt du, was du tust? Kannst du ihm tatsächlich helfen?«, raunte sie.
Er zuckte mit den Schultern. Seine Stirne glänzte, und sie glaubte jenen Schweiß nicht nur von der Sonne bewirkt, sondern von leiser Furcht. Zugleich aber witterte sie an ihm jenen Willen, sich über sämtliche Hindernisse des Lebens zu schwindeln, lieber einen aussichtslosen Kampf zu führen, anstatt eingesperrt auf fremdes Tun zu warten, ja lieber seine Lage zu verschlimmern, als gar nicht erst zu versuchen, sie zu verbessern.
»Ich hoffe es«, murmelte er kaum hörbar. »Ich hoffe es.«
Sein Blick war konzentriert, seine Hände zitterten nicht. Nur dass er fortwährend sprach und seine Behandlung erklärte, bekundete seine Unsicherheit.
»Also gut«, meinte er, »hab mal gesehen, wie ein Barberius eine Schulter wieder einrenkte. Sah gar nicht schwer aus. Der Mann bekam zwanzig Sous dafür. Und der Verletzte konnte schon nach einem Monat wieder seine Arbeit tun.« Er blickte hoch. »Wäre gut, wenn ihr einen Schlauch Wein auftreiben würdet!«, rief er den Männern zu. »Der hier kann gewiss brauchen, dass seine Sinne betäubt werden.«
Gaspare, der abgewandt von ihnen stehen geblieben war, nickte einem der Männer zu, und jener verschwand hastig.
»Und Leinen«, befahl Ray. »Ich brauche ein großes Stück Leinen. Sollte nicht gleich reißen.«
Indessen sie warteten, hob er den gesunden Arm des Verletzten und befühlte sein Handgelenk.
»Was tust du da?«, fragte Akil neugierig.
Ray grinste selbstbewusster, als ihm in diesem Augenblick wohl zumute war. »Den Puls fühlen, was sonst?«
»Und was sagt der dir?«
Rays Grinsen schwand, er wurde nachdenklich. »Tja, ich weiß nur, dass das alle großen Ärzte zu Beginn einer Behandlung so machen. Pocht das Herz zu langsam, ist es nicht gut. Pocht es zu schnell, was bei unserem Patienten der Fall ist, desgleichen nicht.«
»Und was willst du dagegen tun?«
»Tja«, wiederholte Ray schulterzuckend. »Wenn ich’s nur wüsste!«
»Verdammt, Ray!«, fuhr Caterina ihn an und gewahrte in der Aufregung gar nicht, dass sie fluchte. »Das ist hier kein Spiel! Wenn du ihm nicht helfen kannst, dann hättest du’s auch nicht sagen dürfen.«
»Gemach, gemach!«, beruhigte er sie, wiewohl er nun einen unbehaglichen Seitenblick auf Gaspare warf und erleichtert feststellte, dass jener seine Worte nicht gehört zu haben schien. »Ich kriege ihn schon wieder hin!«
Schwer war es, dem Verletzten Wein einzuträufeln. Zwar war sein Schreien leiser geworden, doch als man seinen Kopf festhielt und versuchte, ihm ein paar Tropfen einzuflößen, schlug er mit der gesunden Hand wild um sich. Das rote Gesöff floss über sein ganzes Gesicht anstatt in seine Kehle. Beim nächsten Versuch schließlich verschluckte er sich daran und begann so heftig zu husten, dass Caterina schon meinte, er würde ersticken.
»Das muss reichen«, meinte Ray, um nun sein weiteres Vorgehen zu erklären.
»Hör gut zu«, sprach er zu Akil. »Wir müssen ihn aufsetzen. Dann nimmst du das Leinen, wickelst es um seinen Leib und hältst es an seinen beiden Enden fest. Du darfst nicht locker lassen, sondern musst es in die eine Richtung ziehen, während ich seinen Arm in die andere zerre, so lange, bis sich die Schulter wieder einrenkt.«
Wieder wurde aus dem Schreien des Mannes ein unmenschliches Röhren. Diesmal fand Caterina kein Vergnügen daran, sondern hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, desgleichen wie sie kaum wagte hinzusehen. Akil tat, wie Ray ihm geheißen hatte, hielt das Leinen fest, das den Mann stützte, und wurde schweißnass im Gesicht, indessen Ray – zunehmend verzweifelt – am kaputten Arm zog. Es sah eher aus, als würden sie den Mann in zwei Teile reißen wollen, anstatt ihm zu helfen, und je länger die Prozedur dauerte, desto misstrauischer knurrten die umstehenden Männer.
Auch Gaspare hatte sich wieder umgedreht, war näher getreten, schüttelte schließlich den Kopf, da Ray hilflos weiter zog und zerrte.
Doch just als er gereizt eingreifen wollte, weitere Stümperei verbieten, ertönte plötzlich ein seltsames Geräusch, halb knirschend, halb
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