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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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anders«, sagte er dann. »Die beiden Städte hassen sich, sie bekriegen sich. Aber ihre Sitten sind einander so ähnlich.«
    »Ich kenne diese Sitten nicht«, sagte Caterina. Bei der Erwähnung des schwarzen Hauses hatte sie an das eigene Heim denken müssen und an die rauchende Ruine, zu der es zerfallen war.
    »Das ist auch besser so«, murmelte Gaspare grimmig. »Ich habe dieses Verfahren immer für grausam befunden. Auch wenn alle Welt behauptet, dass Gott selbst seine Freude daran hätte. Denn Gott, so sagt man doch, erhöht die Niedrigen und stürzt die Mächtigen vom Thron. Ich freilich meine, dass solch ein wüstes Morden nur gerecht wäre, wenn es auch wirklich alle treffen würde, die es verdienen. Warum, frage ich mich, warum stürzt Gott nicht endlich meinen Stiefvater? Jener ist doch auch ein Vaterlandsverräter, ein viel schlimmerer – doch er soll damit durchkommen? Warum ist es ihm erlaubt, als ehrbarer Mann in Pisa zu leben, ja, als Gatte meiner Mutter?«
    Sie erinnerte sich an Akils Worte, als dieser von Gaspare berichtet hatte. Dass sein Vater gestorben war, seine Mutter ein zweites Mal geheiratet hatte und dieser Gatte dem Stiefsohn Schlimmes angetan hatte.
    »War es seine Schuld, dass du im Kerker gelandet bist ... als Knabe?«, fragte sie vorsichtig.
    »Das geht dich nichts an!«, fuhr er wieder hoch. »Schreib weiter!«
    »Was soll ich schreiben?«
    Er stierte sie an, ein wenig verächtlich – und todtraurig. Einen Moment lang, kaum für die Dauer eines Wimpernschlags, da fühlte sie sich ihm nicht ausgeliefert, sondern stärker als er. Irgendwie musste sie ihn, der an die Gesellschaft gehorsamer Männer oder fordernder Herrscher gewöhnt war – Menschen, denen er nie auf Augenhöhe begegnete, weil die einen unter ihm, andere wiederum über ihm standen –, ja, musste sie ihn dazu gebracht haben, sich einem Mädchen anzuvertrauen, das ob seiner Bedeutungslosigkeit und zugleich ob seines Geschlechts andere Gesten, andere Worte heraufbeschwor als jene, mit denen er sein Leben bislang gängelte.
    »Ich bin ein reicher Mann«, sagte er. »Ich bin so reich geworden, zuerst als Kaufmann, dann an Pere von Aragóns Seite. Aber ehrbar bin ich nicht geworden. Für Peres Feinde ist der König ein Gottloser. Und was für ihn gilt, gilt noch viel mehr für mich, zumal man einen König vieles schimpft, nur nicht Pirat. Onorio Balbi hingegen ist ein ehrbarer Mann. Auch wenn ich gewiss bin, dass seine Sünden nicht weniger schwer wiegen als die meinen. Es kann so nicht sein. Es darf so nicht sein. Mag Gott uns beide in die Hölle schicken – ich hoffe, ihn erwarten schlimmere Qualen, denn ich habe meine schon hier auf Erden abgebüßt.«
    Es klang befremdlich, dass jemand wie er einem anderen die Hölle wünschte, gleichwohl konnte sie ihn gut verstehen. Hatte sie doch gehofft, Gottes Strafe möge die Männer treffen, die den Vater gemeuchelt und ihr Heim verbrannt hatten. Sie hatte diese Strafe Ray prophezeit und schließlich Gaspare und Davide an den Hals gewünscht. Doch seine Worte kündeten von kleinmütigem Trotz, anstatt die Herrlichkeit des gerechten Gottes zu preisen, von einer tiefen, niemals heilenden Wunde, die zwar riesig nur für den Einzelnen sein mochte, aber mickrig für den Weltenlauf.
    »Meine Mutter war eine schöne Frau«, fuhr er plötzlich fort. »Etwas dick, aber schön, ihre Haut war prall und rosig. Ich habe sie das letzte Mal gesehen, da war ich noch ein Kind.«
    Er blickte auf, wieder so, als würde er erst jetzt innewerden, dass sie da war. »Warum erzähle ich das?«
    »Weil ich dich fragte, ob ich dich das Schreiben lehren soll oder einen Brief in deinem Namen verfassen.«
    »Du musst nicht um deine Freiheit betteln. Ich mag sie deinem Verwandten nicht deutlich genug versprochen haben, aber ich halte mein Wort. Nur weiß ich noch nicht, wann und wo ich euch freilassen werde.«
    Sie erwartete, Erleichterung zu fühlen.
    »Bis dahin ist noch Zeit«, murmelte sie. »Was willst du bis dahin von mir?«
    »Und was willst du?«, schnaubte er zurück. »Was stellst du mir Fragen? Was hörst du mir überhaupt zu?«
    Sie senkte den Kopf.
    »Was soll ich anderes tun, wenn du von mir verlangst, hier zu sein – und dann sprichst?«
    Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, schal, gepresst und nicht weniger leer als sein Blick. Doch es kündete davon, dass er sie wahrnahm, anstatt durch sie durchzusehen.
    »Ich lass euch frische Kleidung bringen«, meinte er unwillkürlich. »Und einen

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