Die Tochter des Ketzers
Kamm. Du stinkst.«
Erst jetzt merkte sie, wie sauber er war. Er hatte keine schwar- zen Halbmonde unter den Fingernägeln, kein verklebtes Haar, seine Haut war glatt rasiert, und auf seiner dunklen Kleidung waren keinerlei Schweißflecken zu sehen. Freilich machte das seine Erscheinung nur tadellos – nicht vertrauenerweckend oder gar anziehend. Unheimlich, fast abstoßend war vielmehr, dass er nach gar nichts roch, dass er nicht schwitzte. Wieder dachte sie unwillkürlich an den Leichnam ihrer Mutter. Auch jener war gründlich gewaschen worden und darum sauber. Doch auch um ihn schien ein Bannkreis gezogen worden zu sein, den kein Lebender überschreiten sollte, wollte er nicht von seinem kalten Hauch vergiftet werden.
Caterina gab keine Antwort, und er erwartete offenbar keine. Erst nach einer Weile verkündete er ihr, ob er nun schreiben lernen wollte oder nicht.
Corsica, 251 n.Chr.
Viele Tage vergingen, und nichts geschah. Weder erfuhr ich, was Gaetanus mit meiner Information anzufangen gedachte, noch hörte ich Neuigkeiten von Julia. Sie rief nicht nach mir, sie war nicht mehr Gast in diesem Haus – beides Zeichen dafür, dass mein Verrat offenbar jene Früchte trug, die ich mir gewünscht hatte. Ich hatte Julia nicht ernsthaft gefährden wollen, sie keines wirklich üblen Verbrechens beschuldigen, jedoch ihren Ruf zerstören und solcherart das Band kappen, das zwischen ihr und Gaetanus bestand. Wenn das schlicht, leise, unauffällig geschah – umso besser. Gut auch, dass ich nichts mehr damit zu tun hatte, dass ich mich vor niemandem mehr erklären musste.
Thaïs war die Einzige, die mich eines Tages fragte, ob ich etwas von Julia wüsste, doch ich verneinte und erklärte, dass sie offenbar ihr Interesse an meiner Gesellschaft verloren hätte – und Gaetanus das seine an ihrer.
»Merkwürdig«, murmelte sie, »merkwürdig.«
»Hast du wirklich ernsthaft gedacht, er könnte sie zu seiner Frau machen wollen?«, fragte ich ungehalten.
»Manch einer hier vermutete es. Es wäre ... es wäre doch auch an der Zeit gewesen. Es ist nicht üblich, dass ein Mann seines Standes so lange unverheiratet bleibt.«
»Aber warum sollte seine Wahl ausgerechnet auf sie fallen?«
Jene Frage nagte immer noch an mir. Je mehr ich darüber nachdachte, desto absonderlicher schien es mir, dass ein kühler, ausdrucksloser Mann wie Gaetanus, stets Herr seiner Regungen, so selbstvergessen, so sehnsuchtsvoll auf eine Frau wie Julia Aurelia hatte starren können. Ich hatte sie stets für eine ungewöhnliche Frau gehalten, jedoch niemals für eine, die Männerfesseln könnte.
Es gibt Männer, die lieben das Elegante, Feine, und andere bevorzugen das Derbe, Geschwätzige. Es gibt Männer, die verehren hoheitsvolle Damen, und andere, die sich nach schamlosen Mädchen mit breiten Hüften und großen Brüsten verzehren. Es gibt Männer, die Frauen zum Zeitvertreib heiraten, und andere, die ihre Stellung festigen wollen, indem sie eine nehmen, die aus guter Familie stammt.
Wie aber war es Julia gelungen, Gaetanus zu fesseln? War sie nicht viel zu schrill, zu stark, zu aufrührerisch für ihn? Viel zu laut auch, zu fordernd, zu selbstbewusst?
»Was weißt du von Gaetanus’ Vergangenheit?«, fragte Thaïs indes.
»Nur dass er mit dem toten Kaiser Philippus über dessen Gattin verwandt war. ‘s war dies offenbar auch einer der Gründe, warum Kaiser Decius ihn fürchtete, ihn nicht in Rom haben wollte.«
»Ich habe gehört, er war im Krieg«, sagte Thaïs da, »lange Jahre. Irgendwo an den Grenzen des Reichs, wo die wilden Germanen hausen. Ganze zehn Jahre ist er offenbar dort gewesen, vielleicht sogar fünfzehn, ehe er zurück nach Rom kehrte und die Laufbahn eines Senators anstrebte. «
Ich hob den Blick, verwundert, dass sie mehr wusste als ich, dass sie sich offenbar dafür interessierte, andere Sklaven ausgehorcht hatte – wohingegen ich mich nie sonderlich um Gaetanus’ Vergangenheit geschert hatte. Nie hatte ich mich gefragt, was seinen dunklen Blick hat ersterben lassen, was seinen schmalen Lippen das Lächeln geraubt hat, warum er wohl dachte, er könnte nur leben, wenn er sich der Welt möglichst unangreifbar darbot. Gewiss, ich wollte dies Verhalten aufbrechen, auf dass er mich nicht länger missachtete – aber es war mir nie daran gelegen, es zu ergründen.
»Vielleicht kann er auch Julias Mitgift brauchen«, murmelte ich, um abzulenken.
Thaïs ging nicht darauf ein. »Ich habe mit dem Sklaven gesprochen, der ihn
Weitere Kostenlose Bücher