Die Tochter des Ketzers
aus, die nichts mit ihnen zu tun hatten, und schien einzig daran interessiert zu sein, dass diese ausgeführt wurden. Erst nach einer Weile blieb er vor ihnen stehen und musterte sie gedankenverloren, als müsse er tief im Gedächtnis schürfen, um sich zu vergegenwärtigen, dass Ray zu fliehen versucht hatte – und schändlich gescheitert war.
Caterina suchte seinen Blick, doch jener deuchte sie noch erloschener als sonst. Noch ehe sie es versuchte, ging ihr auf, dass es keinen Sinn hatte, ihn anzuflehen. In einer Stimmung wie dieser würde sie ihn gewiss nicht erreichen können.
»In unserem Land«, begann er da schon mit kalter Stimme zu sprechen, »in unserem Land gibt es Gesetze, wie sich Sklaven zu verhalten haben und wie nicht. Eines dieser Gesetze verbietet ihnen strengstens, dass sie sich des Nachts im Freien herumtreiben.«
»Wir sind nicht deine Sklaven, wir sind ...«, versuchte Ray mit gepresster Stimme einzuwerfen.
»Solch Vergehen kostet zwei Denare!«, fiel Gaspare ihm ins Wort. »Hast du die?«
Zornig rüttelte Ray an seinen Fesseln, von der langen Nacht nicht des aufrührerischen Willens beraubt. »Du weißt ganz genau, dass ...«
»Gut«, unterbrach Gaspare ihn wieder; in seinem Blick regte sich immer noch nichts, nicht das leiseste Funkeln. »Gut, dann wirst du mit Peitschenhieben dafür bezahlen.«
Ray wurde noch bleicher, aber war nicht bereit zu schweigen.
»Mach mit mir, was du willst, aber lass Caterina frei!«, krächzte er. »Ich hab’s dir gestern schon gesagt: Sie trifft keine Schuld! Ich habe sie gezwungen, habe sie gewaltsam ins Meer gestoßen, weil sie nicht mitkommen wollte!«
Gaspare stand stocksteif. Caterina rechnete nicht damit, dass er auf die Worte antwortete, eher damit, dass er sich schwei- gend umdrehen und wieder ins Innere verschwinden würde. Doch nach einer unerträglich langen Pause hob er die Finger, schnipste.
Es war Akil, der sogleich nach vorne stürzte und mit einem raschen Dolchschnitt ihre Fesseln löste. Sie war zu kraftlos, um sich nach der langen Tortur auf den Beinen zu halten, sondern plumpste wie ein Mehlsack auf den harten Boden. Augenblicklich begann das Blut wieder in ihre tauben Hände zu strömen. Zuerst kribbelte es nur; dann hatte sie den Eindruck, sie würden brennen. Ihr Mund verzerrte sich zu einem lautlosen Schrei. Erst nach einer Weile verging der stechende Schmerz, und sie konnte wieder aufblicken, erkennen, dass Gaspare immer noch hier stand – und dass Ray sich nicht damit begnügen wollte, nur sie von dem üblen Los befreit zu haben.
»Du kannst sagen, was du willst, aber wir sind dir keinen Gehorsam schuldig! Kein Gesetz der Welt verbietet uns, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen!«, ächzte er. »Tu also nicht so, als hätten wir ein Unrecht getan – wo es doch Davide war, der uns an dich ausgeliefert hat, obwohl er dazu nicht befugt war!«
Etwas huschte über Gaspares Gesicht – ein höhnisches Lächeln, echter Grimm, einfach nur Überdruss?
»Kein Gesetz der Welt erlaubt dir ...«, setzte Ray wieder stöhnend an.
»Und selbst wenn es so wäre«, erklärte der andere bedrohlich raunend. »Ich habe euch beiden die Freiheit versprochen – und du hast mich hintergangen. Ich habe mit dir einen Pakt geschlossen – und du hast ihn gebrochen. Wisse, ich lasse nicht zu, dass man über mich spottet, weil ich meine Gefangenen nicht ausreichend bewachen kann!«
Er drehte sich um, verharrte so eine Weile. Er war wohl unschlüssig, was nun zu tun sei, dann – es klang wie ein Fauchen – befahl er: »Zwanzig Peitschenhiebe!«
Caterina sah, wie Ray zusammenzuckte. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, aber brachte keine Silbe zustande. Akil kam ihm zuvor.
»Das ist zu viel«, murmelte er, eher abschätzend als mit echter Anteilnahme. »Schaut ihn Euch an! Er ist geschwächt, abgemagert, das überlebt er nicht!«
»Das ist nicht mein Problem! Dieses Strafmaß hat König Jaume el Conqueridor so vorgeschrieben!«, zischte Gaspare, aber immerhin blieb er stehen, überlegte wieder.
»Nun gut«, knurrte er schließlich. »Dann eben nur fünfzehn. Seht zu, dass ihr ihn nicht immer auf der gleichen Stelle trefft.«
Akil zuckte gleichmütig mit den Schultern, warf Caterina einen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste. Offenbar wollte er ihr damit sagen, dass er alles versucht hatte. Sie wusste freilich nicht, ob sie ihm dafür dankbar sein sollte. Sie wusste nicht einmal, wie sie zu Rays Strafe stand.
Als drei der Männer
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