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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wenig nuschelnd fest. »Willkürlich und grausam. Nicht gerecht.«
    Als Gaspare vor sie trat, drohte er ihr nicht mit der Faust, sondern blickte nur erstaunt auf sie herab.
    »Bist du von Sinnen, Mädchen? Was nimmst du dir heraus? Warum tust du das?«
    Die Peitsche knallte wieder.
    Caterina blickte zu Gaspare hoch, aber versuchte nicht, sich aufzurappeln.
    »Was habe ich zu verlieren?«, fragte sie zurück. »Was?«
    Es war schwer, die Worte auszusprechen. Ihre Lippen begannen anzuschwellen, sie spuckte noch mehr Blut, das ihr über den Hals floss. Ihr Blick ließ sich davon nicht berühren. So starr war er auf Gaspare gerichtet, dass jener schließlich zuerst die Augen senkte.
    »Ja, ich habe Macht«, gab er plötzlich zu, wieder leiser, aber diesmal nicht bedrohlich flüsternd, sondern irgendwie kleinlaut. »Und ja, manchmal gebrauche ich sie willkürlich. Aber ich habe diese Macht nie um ihrer selbst willen gesucht. Ich habe sie gebraucht, um Gerechtigkeit herzustellen. Und jetzt verschwinde endlich. Ich werde meine Männer nicht zurückpfeifen.«
    Er wandte sich ab, ging zurück hinter seinen Tisch, um dort die übliche starre Haltung einzunehmen, indessen sich Caterina auf den Bauch rollte, sich mit den Händen aufstützte und alle Kraft darein legte, sich zu erheben. In ihrem Kopf schien sich alles zu drehen. Die Schwärze, die kurz vor ihren Augen tanzte, schien auch die Geräusche zu mildern. Kurz war weder das Zischen der Peitsche zu vernehmen noch Rays Geschrei.
    Als sie sich endlich aufgerichtet hatte, blieb sie eine Weile stehen, um sicher zu sein, dass sie sich gerade halten konnte. Sie wischte ihr Blut nicht ab, als sie zu Gaspare trat. Es rann ihr über das Kinn, befleckte ihr Kleid.
    »Du strebst also Gerechtigkeit an«, murmelte sie. »Wie anmaßend. Warum steht sie dir zu? Warum dir mehr als mir? Du hast zugelassen, dass ich entehrt und geschändet wurde. Du hattest keine Freude daran, aber du hattest auch nichts dagegen. Wer macht denn mein Elend wieder gut? Wer rächt mich und bestraft die Übeltäter? Für mich gibt es keine Gerechtigkeit – warum also für dich?«
    Kalt begann sie zu sprechen. Erst gegen Ende ihrer Rede hörte sie, wie ihre Stimme zitterte, und mit ihr wurden auch die Beine schwach. Sie schmeckte das Blut in ihrem Mund, salzig, metallisch, als hätte sie an Eisen geleckt.
    Wieder war Gaspares Blick eine Weile nur erstaunt. Dann verhärtete er sich, sprang mit einem unwilligen Schrei auf, um sie zu packen und aus dem Raum zu stoßen. Ihre Kraft reichte gerade aus, um es ihm schwer zu machen. Sie krallte beide Hände in seine Arme, schwankte, aber verlor nicht den Halt.
    »Lass mich los! «, rief er gereizt.
    »Lass Ray los!«
    Die Peitsche knallte wieder. Vielleicht hielten sich die Männer nicht an die Vorgaben, sondern schlugen öfter zu, als Gaspare es ihnen gestattet hatte.
    Schmerzhaft bog er ihre Finger zurück, um sich von ihrem Griff zu lösen. Sie hielt ihm nicht lange stand, schon gaben ihre Hände nach. Doch selbst jetzt gab sie nicht auf, sondern umschlang seine Füße. Seine Nähe hatte immer leises Grauen ausgelöst, den Wunsch, ihm fernzubleiben, ihn nicht zu berühren. Stets hatte sie Angst gehabt, dass jenes Leblose, das in seinem starren Blick, seinem gelblichen Gesicht und in seinen bläulichen Lippen hockte, sich erstickend auf sie legen könnte, wenn sie keine klare Grenze zwischen ihm und sich zog. Jetzt war ihr die Wahrung dieser Grenze egal. In ihren von seinen Schlägen benommenen Kopf mochte das Gefühl von Ekel und Scheu nicht vordringen, wurde vielmehr gebremst von jenem Rausch, in den sie geraten war und der sie dazu trieb, sich immer fester an ihn zu krallen.
    Mehr panisch als verärgert schleuderte er sie erneut quer durch den Raum, und noch ehe sie sich aufrappeln konnte, war er über ihr, presste ihre Hände auf den Boden. Sie fühlte seine Finger, lang, dünn – und kalt. Sie erschauderte.
    »Halt endlich dein Maul! Halt endlich dein verdammtes Maul!«
    »Tötest du mich, wenn ich’s nicht tue?«
    »Ist es das, was du willst?«
    Sie dachte an die Bitte, die sie an Ray gerichtet hatte, nachdem die Männer sie geschändet hatten. Dass er sie umbringen sollte, hatte sie gefordert. Er hatte sich geweigert – und sie hatte ihm das später niemals vorgeworfen, denn bald darauf war jener Lebenswille erwacht, der sich als stärker erwies als das Gefühl der Schande.
    Auch jetzt wollte sie nicht sterben. Aber sie wollte das Maß an Zerstörung, das

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