Die Tochter des Ketzers
auf ihn zutraten, ihn von den Fesseln befreiten, um sogleich noch roher an den Stricken zu reißen und ihn zu Boden zu werfen, als sie ihm das Gewand aufrissen und mit ihren Fußspitzen in sein nacktes Fleisch traten, nicht grob, aber demütigend, da überkam sie einen Augenblick lang kein Entsetzen, sondern nur Genugtuung, umso mehr, als er aufschrie, sich verzweifelt zu wehren versuchte.
Es geschieht dir recht, hämmerte es durch ihren Kopf, das hast du verdient, so oft, wie du mich in Schwierigkeiten gebracht hast, und das nicht nur gestern Nacht.
Doch dann, als er immer noch wehrlos dalag, als einer der Männer eine Peitsche in die Hand bekam, sie mehrmals surrend durch die Luft schwang und schließlich mit aller Wucht auf Rays Rücken hinabsausen ließ, da zuckte sie zusammen, als wäre sie selbst getroffen.
Sie hörte Rays Brüllen kaum, hörte aber sich selbst aufschreien – und es klang unerträglich vertraut.
Ohnmacht. Schmerzen. Rohe Hände, die packten, festhielten. Mitleidslose Gesichter.
Wie oft hatte sie Ray in die Hölle gewünscht! Wie oft sich an der Vorstellung gelabt, was einem Sünder wie ihm widerfahren würde! Und sie wusste ja, was in der Hölle auf ihn wartet, ein übel riechendes Schwefelmeer, Qualen, die die hinterlistigen Dämonen ihm zufügen, die unerträglich heiße Glut des nie verlöschenden Feuers ...
Doch die Strafe, die Ray ereilte, das grässliche Geräusch, als seine Haut riss – es kündete nicht von Gerechtigkeit, sondern nur vom Grauen jenes Tages, da sie selbst Gaspares Männern ausgeliefert war.
»Nicht!«, schrie sie verzweifelt. »Nicht!«
Niemand hörte auf sie; einzig Akil trat zu ihr hin, versuchte sie wegzuziehen.
»Du kannst nichts für ihn tun«, erklärte er undurchdringlich. »Er muss es allein durchstehen.«
Was er sah, gefiel ihm nicht, aber es gehörte zu einer ihm vertrauten Welt, der man sich fügen musste, um nicht daran verrückt zu werden.
»Geh hinein!«, bekräftigte er. »Schau nicht hin!«
Wieder tänzelte die Peitsche in der Luft, verspielt beinahe, als sei sie keine gefährliche Waffe, sondern das Werkzeug eines Gauklers, wie Ray einer gewesen war, als er auf den Marktplätzen Kunststücke vollführt und die Menschen unterhalten hatte.
Dann sauste sie nieder, traf Ray zum zweiten Mal, schlug wieder eine blutende Strieme. Er brüllte wieder, heiserer nun. Offenbar biss er sich in die Schulter, um den Laut ein wenig zu drosseln.
Da machte Caterina kehrt, lief fort, entkam zwar der grauenhaften Stätte, dem Dunst von Schweiß und Blut, den summenden Fliegen, die davon angelockt wurden – dem gequälten Geschrei aber entkam sie nicht.
Sie nahm den Weg zu Gaspares Kajüte, ohne sich von Akil aufhalten zu lassen, der – kaum, dass er ihr Ziel erkannte – heftig den Kopf schüttelte.
»Tu das nicht ...«, rief er ihr nach, doch da stand sie schon vor Gaspare.
»Lass das nicht zu!«, schrie sie ihn an. »Mach, dass es aufhört!«
Gaspare saß in sich versunken da. Ein verwirrter Blick traf sie – entweder weil er sich längst von dem abgeschottet hatte, was da draußen geschah, und darum gar nicht wusste, was sie meinte. Oder weil solch ein Maß an Dreistigkeit und sinnlosem Mut sogar einen Unberührbaren wie ihn erstaunte.
Er fing sich schnell, lehnte sich zurück, musterte sie kalt. »Er hat es verdient. Es ist nur gerecht. Was hätte dir alles geschehen können ... seinetwegen! «
Sie konnte sich der Wahrheit seiner Worte nicht verschließen. Wieder ging ihr für einen kurzen Augenblick durch den Kopf, dass sie sich an Rays Strafe erfreuen sollte, doch dann ertönte, wiewohl gedämpft, erneut das Zischen der Peitsche, Rays Geschrei.
»Es wundert mich, dass du von Gerechtigkeit sprichst, wenn du dich doch selbst für einen Gesetzlosen hältst!«, hielt sie ihm entgegen. »Oder vielmehr Furcht hast, deine Mutter könnte dich für einen solchen halten!«
Seine Augen wurden schmal. »Schweig!«
»Ray ist ein Betrüger, er kennt keinen Anstand, er handelt nur zu seinen Gunsten. Doch er ist kein Verbrecher.«
Wieder ertönte der zischende Laut der Peitsche. Wieder seine Schmerzenslaute.
»Ich bitte dich ...«
»Hau ab!«, unterbrach Gaspare sie ungeduldig. »Glaub nicht, ich würde mich scheuen, auch dich auspeitschen zu lassen!«
Caterina trat unwillkürlich zurück. Sein Tonfall war so scharf, dass er keine Zweifel an seinen Worten offenließ. Und doch hörte Caterina auch Ärger und Wut heraus, die sie zu ihrem Erstaunen nicht
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