Die Tochter des Ketzers
ängstigten, sondern ermutigten. »Ich weiß sehr wohl, dass du dessen fähig wärst«, setzte sie vorsichtig an. »Aber womit du mir auch drohen magst – das Schrecklichste hast du mir schon angetan. Du hast mich deinen Männern ausgeliefert. So wie jetzt Ray. Du zeigst weder Mitleid noch Gnade ... Doch sag mir: Würde das deiner Mutter gefallen? Würde sie das auch für ... gerecht befinden?«
Er sprang auf, viel ruckartiger, als es ihm eigen war. »Wage nicht, über sie zu sprechen!«
Erstmals sah sie einen Glanz in seinen Augen, der nicht kalt war, sondern glühend. Nicht nur von Zorn kündete er, auch von Lebendigkeit, in einem solchen Maße, wie sie das Gaspare nie zugetraut hätte. Sie wusste, dass jedes weitere Wort ein Fehler war – und fühlte doch keine Furcht, nur eine widersinnige Erleichterung, dass einer, der so verschlossen, so gebrochen, so erstarrt schien, noch fähig war zu diesem Pulsierenden, Frischen, Atmenden. Kurz fühlte sie das gleiche heftige Gefühl auch durch sich selbst fließen, reinigend und glättend; es spülte einen Teil des Scherbenhaufens, der ihre Seele umlagerte, einfach weg. Es schnitt sich nicht daran – wie Wasser, dem man keine Wunden zufügen kann. Die Scherben waren auch viel zu klar, um es zu beschmutzen.
»Gaspare!«, rief sie eindringlich und wiederholte ihre Frage: »Würde das deiner Mutter gefallen? Würde Leonora das gerecht finden!«
Sie hatte kaum geendigt, da hob er die Hand, schlug ihr ins Gesicht, so stark, dass sie taumelte und fiel. Es war, als würde ihre Haut zerreißen, als hätte nicht nur eine Faust sie getroffen, sondern eine lodernde Fackel sie verbrannt. Trotzdem rappelte sie sich auf, starrte ihm herausfordernd ins Gesicht.
»Ich werde nicht schweigen, nur weil du mich schlägst!«
»Es war ein Fehler, mich vor dir schwach zu zeigen«, zischte er, und seine Verachtung traf nicht nur sie, sondern auch ihn selbst. Sie sah zu, wie er begann, auf und ab zu schreiten, viel gehetzter, als sie ihn jemals erlebt hatte, beinahe so wie Ray in den letzten Wochen, dazu getrieben, sich mit dem Leben anzulegen, anstatt es über sich ergehen zu lassen.
Sie hielt sich das schmerzende Gesicht, ohne sonderlich darauf zu achten. In Gaspares unruhige Schritte hinein tönte Rays Gebrüll, hemmungslos, entfesselt, nicht länger gedämpft von zusammengebissenen Lippen.
»Das hat er nicht verdient«, sagte sie. »Nicht das. Akil sagte, du bist ein gerechter Herr. Aber das ist nicht wahr. Du bist willkürlich und grausam.«
Seine Schritte verlangsamten sich, hielten inne.
»Ich habe euch nicht erlaubt, vom Schiff zu gehen. Und darum habe ich das Recht zu strafen.«
Wieder ein Klatschen der Peitsche. Caterinas Hand sank vom wehen Gesicht, krallte sich unwillkürlich an die andere. Sie wappnete sich gegen Rays neuerlichen Schrei – und war umso entsetzter, als dieser ausblieb. War er ohnmächtig geworden? War er ...?
Sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen.
»Du tust es nicht, weil du das Recht dazu hast«, sagte sie verzweifelt, »Du tust es, weil du die Macht hast. Nur weil du dich auf diesem Schiff vor niemandem zu verantworten hast, heißt das nicht, dass richtig ist, was du entschieden hast.«
»Was nimmst du dir eigentlich heraus, Mädchen?«, fauchte er heiser.
»Schlag mich doch noch einmal – vielleicht hast du dann deine Ruhe! Du kannst mir das Maul stopfen, du bist so viel stärker als ich, dann tu es doch!«
Endlich ertönte wieder Rays Gebrüll. Es schien nurmehr vom Schmerz gezeugt, wo zuvor noch Ärger über die eigene Ohnmacht, Enttäuschung über die missglückte Flucht mitgeschwungen hatten. Ein wenig klang Ray wie der Gequälte, der sich die Schulter ausgerenkt hatte – ob alle Geschundenen dieser Welt gleich tönten?
»Ja«, bekräftigte sie, die Grenze noch weiter überschreitend. »Stopf mir doch das Maul! «
»Verschwinde!«
Caterina regte sich nicht.
»Ich habe gesagt, du sollst verschwinden!«
Diesmal schrie er, und wiewohl sein Schreien leiser ausfiel als das Schmerzgebrüll von Ray, war es nicht minder durchdringend, vielleicht, weil es aus seinem Munde so ungewohnt klang.
Als Caterina sich wieder nicht rührte, hob er erneut die Hand, diesmal zur Faust geballt, und schlug zu. Sie fühlte, wie sie durch den halben Raum fiel, zu Boden stürzte, wie warmes Blut über ihre Lippen floss, deren Haut noch tiefer riss. Diesmal spürte sie keinen brennenden Schmerz, nur dumpfes Pochen.
»Wie ich sagte«, stellte sie ein
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