Die Tochter des Ketzers
hast, die der Heilkunst mächtig sind. Und kannst du dich doch noch daran erinnern, was Ray selbst gemacht hat, als er den Mann mit der gebrochenen Schulter versorgte?«
Akil schien zunächst ratlos wie sie.
»Wasser«, murmelte er dann, »wir müssen seine Wunden da- mit waschen, sie dürfen nicht schmutzig werden. Danach ist’s wohl besser, sie nicht zu verbinden, sondern sie von frischer Luft trocknen zu lassen. Und Wein. Ray hat auch Wein genommen zum Reinigen, und später Olivenöl. . ... Ich kann mich entsinnen ... als ich klein war ... und ein Balken des Schiffs, an dem mein Vater baute, mich getroffen hat, da hat mich meine Mutter mit weißem Talg eingerieben, und hernach hat es im ganzen Raum nach Myrrhe geduftet.«
Sehnsüchtig klang seine Stimme.
»Nun, Myrrhe haben wir nicht«, meinte Caterina, »aber Wein – kannst du welchen besorgen? Und hat Ray nicht auch gesagt, dass Salz eine reinigende Wirkung hat?«
Akil nickte, gleichwohl er nicht sofort aufsprang, um das Gewünschte zu besorgen. Stattdessen blieb er hocken, den Blick starr auf Rays Rücken gerichtet, der nun kein Blut mehr spuckte, jedoch eine sämige, helle Flüssigkeit. Nie hatte Caterina sonderliche Anteilnahme in Akils Gesicht gelesen, nun blitzte jedoch in seiner Miene etwas auf, was von einer schmerzlichen Erinnerung kündete ...
Er hatte nie erzählt, wie es sich genau zugetragen hatte, dass er versklavt und aus seiner Heimat verschleppt worden war. Vielleicht dachte er eben daran – und an die Wunden jener, deren Los es gewesen war zu sterben.
»Warum hilfst du uns, Akil?«, fragte sie, weil sie nicht wagte, daran zu rühren, zugleich aber hoffte, er möge mehr verraten.
»Weil ihr Gaspares Gefangene seid ... wie ich«, stellte er jedoch lediglich fest.
»Aber du hältst ihn doch für einen guten Herrn. Du hättest ihm nie zuwidergehandelt, wie Ray es getan hatte.«
Eben zuckte Rays Nacken. Wieder flössen unverständliche Silben ächzend über seine Lippen. Seine Augen waren geschlossen, seine Stirn schweißbedeckt. Caterina hoffte für ihn, dass er noch lange in jenem Halbschlaf gefangen bleiben möchte, der zwar unruhig war, jedoch die schlimmsten Schmerzen dämpfte.
»Ich halte ihn nicht für einen guten Herrn«, murmelte Akil. »Aber man kann ihn durchschauen. Er lebt nach einer gewissen Ordnung.«
Caterina nickte. »Und er trägt Bürden, schwere Bürden.«
Kurz dachte sie, dass es helfen würde, Akil zu erzählen, was vorhin in Gaspares Kajüte vorgefallen war, was er zu ihr gesagt hatte oder zumindest Teile davon. Alles hatte er ihr ja nicht gesagt, auf ihre letzte Frage, was denn das Schlimmste sei, was Onorio Balbi ihm angetan hatte, nicht geantwortet.
Doch ehe sie sich durchringen konnte, sich Akil anzuvertrauen, stellte jener fest: »Ja, er trägt Bürden ... wie wir die unseren.«
Das eben noch aufgewühlte Gesicht war wieder teilnahmslos. Auch seine Stimme war bar des Gefühls, und Caterina ging auf, dass es das war, was sie am meisten an ihm schätzte: dass er hilfsbereit war, ohne Mitleid zu zeigen; dass er Kummer litt, ohne dabei laut zu sein; dass jede Regung beherrscht ausfiel, jedoch würdevoll. Von Akil war kein Trost zu erhoffen – aber auch keine Entblößung. Sie dachte sich, dass sie mit ihm über alles sprechen könnte, was geschehen war, über jede schmutzige, schmerzhafte Einzelheit – ohne vor Schande zu vergehen. Zugleich aber bestand keine Notwendigkeit, mit ihm darüber zu sprechen, denn nichts schien ihm verborgen zu bleiben. Er war ein Knabe, ein Kind noch – und zugleich ein uralter Mensch.
Wendig stand er auf, um nach draußen zu gehen und jene Dinge aufzutreiben, mit denen er Rays Wunden behandeln wollte.
Caterina blieb neben Ray sitzen, wagte kaum, sich zu regen, als könnte schon ein Luftzug seine Schmerzen vergrößern. Sein Stöhnen schien leiser zu werden, doch just als sie meinte, es würde verklingen und er in eine noch schwärzere, noch bodenlosere Dunkelheit versinken, da schlug er die Augen auf und schreckte hoch. Seine Wunden gaben ein grässlich schmatzendes Geräusch von sich, als sein Rücken sich anspannte. Ächzend ließ er den Kopf wieder sinken.
»Dieser Verfluchte!«, stöhnte er. »Oh, dieser Verfluchte!«
Er verschränkte seine Hände hinter dem Nacken, wahrscheinlich jene Haltung, die ihn am wenigsten schmerzte. Vorsichtig legte Caterina kurz ihre Finger auf seinen Kopf, um zu bekunden, dass sie an seiner Seite war, dass sie ihm Trost spendete.
»Es ist
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