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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Gras, sondern auf ein Stück Heimat.
    Einst hatten die Römer die Insel beherrscht, dann die Vandalen, dann die Byzantiner, schließlich die Araber, die die Insel Malitah nannten und die deutlichsten Spuren hinterließen. Sie brachten Baumwolle und Zitrusfrüchte, nutzten die schon bestehenden römischen Straßen und Castelle, vor allem in Rabat, aber gründeten obendrein ihre eigene Hauptstadt Mdina. Dort vermischte sich die arabische Sprache mit der italienischen und der französischen, und das Sprachgemisch, das daraus entstand, blieb ebenso bestehen wie manche Minarette der Moscheen. Mochte Malta vom normannischen Roger von Sizilien erobert werden, der neben Sizilien auch Kalabrien und Apulien sein Eigen nannte, mochte Kaiser Friedrich II. sie schließlich an den Genuesen Wilhelm Grassus übergeben haben. Mochte Charles d’Anjou die Insel einnehmen, um von ihr aus Sizilien zurückzuerobern, und Pere von Aragón sie nun wieder seinem Rivalen entrissen haben – auf Malta lebten weiterhin viele Muslime, ungeachtet der Klagen mancher Bischöfe und des Trachtens vieler Herrscher, die die Heiden zu ködern versuchten, indem sie den Christen die Steuerfreiheit schenkten, den Muslimen aber nicht.
    Es gab Zeiten, da sich die muslimische Bevölkerung davon einschüchtern ließ, vor allem, wenn nicht nur Steuernachteil, sondern obendrein Vertreibung angedroht wurde. Viele von ihnen ließen sich dann taufen, um freilich in friedlicheren Zeiten wieder zu dem Bekenntnis zurückzufinden, dass Allah der einzige Gott war und Muhammad sein Prophet. Dem Reichtum der Insel tat dies keinen Abbruch, sondern nutzte es vielmehr. Der Handel mit den Muslimen in Nordafrika florierte ebenso wie jener mit den Christen auf Griechenland und Sardinien.
    Und so begegnete Caterina einer fremd anmutenden Welt, als sie mit Akil die Hauptstadt Mdina kennenlernte, kaum einen halben Tagesmarsch von Marsa entfernt und auf einem Hügel liegend, von dem aus man fast die ganze Insel betrachten konnte.
    Wiewohl die Stadt die »schweigende« genannt wurde, vereinten sich viele Stimmen und Laute zu einem steten Brummen und Summen: Händler, die durcheinanderschrien, berittene Aragónische Soldaten, die durch die engen Gässchen strömten, das Meckern der Ziegen, die an Stricken zum Verkauf gezerrt wurden, das Gezwitscher von in Käfigen gefangenen Vögeln. Das alles spielte sich in engen Gässchen ab – für Caterina ein unentwirrbares Labyrinth. Nicht weiter als einen Pfeilwurf konnte man sehen – dann schlugen die Sträßchen schon einen Bogen. Folgte man ihnen, dann mochte es leicht geschehen, dass man irgendwo in einer Sackgasse endete, den Weg zurück nahm und sich – was Wunder – an einem anderen Ort wiederfand als dem Ausgangspunkt. Caterina war sich alsbald gewiss: Würde man den Willen haben, die Stadt im Norden zu verlassen, so war es sicher, dass man im Süden herauskäme. Die kundige Bevölkerung hatte einst solche Gässchen errichtet, um in all den Jahrhunderten der verschiedenen Angreifer Herr zu werden; jene wurden gar oft in den vielen Winkeln und Sackgassen in die Irre geführt und dann von droben mit Säcken und Mobiliar erschlagen.
    Seinerzeit, als Caterina von der Einsamkeit ihrer Kindheit in die Welt gestoßen worden war und diese sich vor allem in den Städten wie Carcassonne und Perpignan als laut und aufdringlich erwiesen hatte, hatte sie die Menschenmassen gescheut, hatte dem Lärm zu entfliehen versucht – und sei es nur, indem sie die Augen schloss. Auch jetzt hielt sie sich an Akil fest aus Angst, sie könnte ihn verlieren und hier allein zurückbleiben – und konnte doch zugleich ihren Blick nicht senken, saugte das Treiben auf, nicht nur eingeschüchtert, sondern auch beglückt darüber, dass es etwas gab, was heftig und stürmisch und belebend war – ohne ihre unmittelbare Anteilnahme zu fordern. Sie konnte zuschauen, sie konnte davon schmecken, aber sie wurde nicht überschwemmt und mitgerissen wie von den Bedrohungen und den Brüchen des eigenen Lebens.
    Akils dunkle Haut indes schien sich zu röten, seine Augen glänzten. Nie hatte er Schmerz um seine verlorene Heimat gezeigt – und auch jetzt bekundete er mit keinem Wort die Freude. Aber sie war ihm anzusehen, als ihnen Menschen mit ähnlich dunkler Hautfarbe begegneten, wie Akil sie hatte, Laute formten, die in Caterinas Ohren wie Husten klangen, aber die er mühelos verstand. Lange unterhielt er sich mit Männern, die merkwürdige Kopfbedeckungen trugen – als

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