Die Tochter des Ketzers
schmerzte.
Sie leckte über ihre Lippen, gewahrte jetzt erst, dass sie noch geschwollen waren von seinen Schlägen, schmeckte Blut.
Aber ihr war nicht nach Weinen zumute, nicht nach Klagen. Sie hielt Rays Hand fest, sie dachte an Gaspare und wie er sie fast erschlagen hätte. Das Widersinnigste war, dass die Erinnerung daran nicht wehtat.
In der schwülen, schweren Luft heilten Rays Wunden schlecht. Immer wieder platzten sie aufs Neue auf, sämig gelbes Blut trat aus. Er ächzte viel, sprach jedoch wenig.
Caterina hatte erwartet, er würde weiterhin auf Gaspare fluchen und Rache schwören, doch das tat er nicht, vielleicht, weil er nicht selbstmitleidig sein wollte, vielleicht, weil er die Ohnmacht seiner Lage begriffen hatte und nicht länger vergebens dagegen anzugehen suchte.
Caterina war froh über sein Schweigen. Nur manchmal stimmte es sie ein wenig unbehaglich – erinnerte es sie doch an jene Zeit, bevor er sie auf Davides Schiff geschleppt hatte, als er an seinem Plan gesponnen, ihn ihr aber verschwiegen hatte. Manchmal starrte sie ihn forschend an, fragte sich, was wirklich hinter seiner Stirne vorging, aber da sie nie in ihn drang, bekam sie von ihm nichts anderes zu hören als Stöhnen und Ächzen.
Es machte ihr nichts aus, ihn zu pflegen, die blutigen Striemen mit in Wein, Wasser oder Olivenöl getränkten Leinenfetzen abzutupfen – doch ebenso froh war sie, seiner leidenden, zermürbenden Gegenwart zu entkommen.
Zu ihrem Erstaunen forderte Akil sie eines Tages auf, sie zu begleiten und mit ihm die Insel Malta zu erkunden. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Gaspare ihr das gestatten würde, aber Akil nickte bekräftigend und meinte: »Ray sollte sich hüten, sich auch nur einen Schritt fortzubewegen. Doch Gaspare vertraut darauf, dass du zurückkehren wirst, solange du ihn auf dem Schiff weißt.«
Caterina verzog nachdenklich die Stirne und fragte sich, wie Gaspare auf solch eine Idee kam. Nie hatte sie ergründen wollen, was genau sie an Ray band – und kam nun doch nicht umhin, es zu tun: Würde sie sich im Zweifelsfall tatsächlich verpflichtet fühlen, bei ihm zu bleiben? Wie stand sie zu ihm, dass ein anderer es für unmöglich hielt, sie könne ihn verlassen?
Freilich nutzte sie die Möglichkeit gerne, dem Anblick von Rays geschundenem Rücken zu entkommen – und den neuen Aufenthaltsort kennenzulernen.
»Warum soll Gaspare ausgerechnet auf Malta ein Ritterlehen empfangen?«, hatte sie Akil am Abend zuvor gefragt. »Und welche Feindschaft besteht zwischen ihm und diesem Ramón?«
Der Knabe zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht viel: Als man ihn aus dem Genueser Gefängnis entließ, wäre er wohl am liebsten nach Pisa gegangen, um seinen Stiefvater zu erschlagen, doch er fürchtete dessen Macht, der er – halbblind, geschwächt, verlottert – nichts würde entgegensetzen können. Ein Freund seines Vaters – ein Kaufmann wie dieser – hat ihm die Fracht eines seiner Schiffe anvertraut, und er bewährte sich auf hoher See. So hat es ihn schließlich nach Collo verschlagen, nicht nur meine Heimat, sondern pisanischer Handelsstützpunkt. Dort war er oft und – wie ich dir schon erzählt habe – auch zu dem Zeitpunkt, da König Pere die Stadt besetzte.«
»Und so hat er den König getroffen und sein Vertrauen erworben«, fuhr Caterina an seiner statt fort.
»Was nicht heißt«, meinte Akil, »dass auch König Peres Gefolgsleute Sympathie für ihn hegen. Während jener Besatzung von Collo, heißt’s, ist es zu einem großen Streit zwischen Gaspare und einem von ihnen gekommen.«
Der Anflug eines Schattens huschte über Akils sonst so höflich geglättetes Gesicht. Nur ein einziges Mal hatte sie bislang eine ähnliche Gemütsanwandlung bei ihm erlebt – und damals war es um seine eigene Vergangenheit gegangen, seine Versklavung, über die er nie ausführlich berichtet hatte.
»Hatte es mit dir zu tun?«, fragte Caterina leise.
»Was tut das jetzt zur Sache?«, gab Akil wieder ausdruckslos zurück, um hernach nicht weiter darüber zu sprechen. »Fest steht, dass Ramón zum Kreise jener gehört, die Gaspare seitdem hassen.«
Am nächsten Morgen verließen sie beide das Schiff – »Ich musste Gaspare mein Wort geben. Er weiß, dass das genügt!«, hatte Akil erklärt –, erforschten den Hafen (es war jener von Marsa, wie sie später erfuhr) und die nächstgelegenen Dörfer, und hier stieß Akil nicht nur auf festen Boden aus hellem Stein, roter Erde oder verdörrtem
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