Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
Aleria aufbrechen und uns unter die Menschen mischen. Dort wollen wir dann weitersehen.«
    So verließen sie das Lager, gingen schweigend und kamen bald in Aleria an. Was sie dort erwartete, war das Absonderlichste, was Caterina je erlebt hatte.
    Laut und bunt war der Ort gewesen, so wie alle Hafenstädte, voll von Gerüchen, schläfrigen Katzen, streunenden Hunden. Frauen hatten Wasser getragen und Kinder hinter sich hergerufen, Fischer hatten ihre Netze geflickt und ihre Boote vorberei- tet, am Hafen schließlich waren Schiffe entladen und mit neuer Fracht bestückt worden.
    Jene Schiffe waren auch heute da, vielleicht andere als gestern, jedoch genug, um im Hafen den üblichen Trubel zu entfachen. Doch anstelle von diesem empfing sie eine unangenehme Stille. Die Stadt war wie ausgestorben. Keine greinenden Kinder, keine streng blickenden pisanischen Wachleute, keine Alten, die ihre gichtigen Glieder in der Sonne ausstreckten. Die Werkstätten waren verwaist wie die Brunnen, der Marktplatz entvölkert, die Fischerboote schaukelten sanft im Wasser – und waren leer.
    Schon beim Stadttor, das einladend offen stand, war es Caterina seltsam vorgekommen, dass sie es als Einzige durchschritten. Noch hatte sie freilich gehofft, sie würden in der nächsten Gasse auf buntes Treiben treffen. Doch je weiter sie gingen, desto mehr zeigte Aleria sich ihnen als Geisterstadt. Als die beiden sich erstmals ansahen, in der Miene des anderen Beschwichtigung erhofften, jedoch nur auf Verwirrung stießen, ja, als sie schließlich zu sprechen begannen, so wagten sie es unwillkürlich nur zu flüstern.
    »Was ... was geht hier vor? Wohin sind denn alle Menschen verschwunden?«
    Ratlos gingen sie weiter, suchten in den erbärmlich engen und armseligen Gassen mit den schiefen Hütten ebenso wie auf den großen Plätzen, wo die Häuser aus Stein gebaut waren.
    Erschrocken zuckte Caterina zusammen, als hinter ihr plötzlich ein lauter Schlag ertönte. Als sie herumfuhren, gewahrten sie jedoch, dass es nur ein lose befestigter Fensterbalken war, der im Wind klapperte.
    »Schau doch nur!«, sagte Akil und deutete auf jene Häuser, die sich gleich daneben befanden. »Sämtliche Balken sind vorgelegt. Die Menschen haben ihre Tore gut versperrt ...«
    »Aber warum?«
    »Vielleicht sind sie fortgegangen, oder sie verstecken sich in ihren Häusern ...«
    »Aber warum«, fragte sie erneut, »warum?«
    Er zuckte nur mit den Schultern. Als sie zum Hafen kamen, stießen sie erstmals auf menschliche Laute, ein Zischen und Gezeter, zu hoch, um von einem Mann zu stammen. Dann Gerumpel, als würde etwas auf den Boden fallen.
    Eine Weile starrten sie einander an, dann fassten sie sich ein Herz, umrundeten zwei Häuser, sahen schließlich einen Haufen abgerissener Kinder, die mit Holzstecken gegen eines der verschlossenen Häuser schlugen. Schon war in der Tür ein kleines Loch entstanden, durch das sich das Kleinste durchzudrängen suchte.
    »He!«, rief Caterina. »Was macht ihr hier, was ist geschehen?«
    Erschrocken fuhren die Kinder herum, eines fing an zu heulen, indessen die Ältesten es an der Hand packten, unwirsch mit sich zogen und davonliefen.
    »Wartet!«, rief Akil und hastete ihnen nach. Er bekam eines der Jüngeren zu fassen, zerriss ihm den zerschlissenen Ärmel, als er es festhielt. »Was geht hier vor?«
    Das Kind starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an, als wäre er der Leibhaftige, schlug schließlich verzweifelt die Hände vor den Kopf, als könne es sich nur so vor Schlägen schützen.
    »Ich tu dir doch nichts«, versuchte Akil zu beruhigen und lockerte seinen Griff.
    Da murmelte der Junge ein paar lose Wortfetzen, von der Furcht und von fremdem Akzent so zerstückelt, dass Caterina sie kaum zusammenfügen konnte. Erst als Akil den Knaben losließ und jener auf seinen nackten, dreckigen Füßen davonstob, vermochten sie mühselig deren Sinn zusammenzuklauben.
    »Man hat den Menschen hier gesagt, dass sie entweder die
    Stadt verlassen oder sich gut verstecken sollen«, stellte Akil fest. Den Grund hierfür wussten sie freilich immer noch nicht.
    »Der Kerkermeister ...«, schlug Caterina vor, »wir können zu ihm gehen, ihn fragen ...«
    Ihre Schritte vermengten sich mit dem Raunen des Windes, der vom Meer her kam. Er war heiß und staubig, wirbelte ihnen Sand ins Gesicht und Unrat um die Füße. Lauter noch als vorhin klapperten die Fensterbalken.
    Caterina hielt sich schützend die Hand vor die Augen, konnte so nicht viel

Weitere Kostenlose Bücher