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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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blickte hoch, in Rays Gesicht, wie er da stand, sie verwirrt beobachtete – und dann plötzlich in Gaspares leere Hülle zu steigen schien. Sie war ihm zu klein, er drohte sie zu zerreißen, doch anstatt sie sich anzuziehen, schien er darin zu verschwinden ... auf ewig ... auf ewig ...
    Caterina zitterte, als sie erwachte. Mit verklebten Augen blickte sie sich um. Niemand war da, an dem sie sich hätte wärmen können. Gaspare war verschwunden – und Akil blickte betrübt in jene Richtung, in die er offenbar gegangen war.
    »Wo ... wo ist er?«, stammelte Caterina verwirrt.
    Akil zuckte mit den Schultern. »Fort ...«, murmelte er, und es klang ergeben wie stets. »Fort ...«
    »Ich laufe ihm ganz gewiss nicht nach.«
    Caterina sprach erst wieder, als die Sonne hoch am Himmel stand, zuerst wärmend nach der durchfröstelten Nacht, dann unangenehm stechend. Trocken und rissig fühlte sich ihre Haut an, struppig das Haar.
    Anfangs war sie froh gewesen, dass die alltäglichen Arbeiten sie davon abgehalten hatten, über Gaspares Verschwinden nachzudenken. Noch wollte sie sich nicht eingestehen, was es bedeuten könnte. Erst nachdem sie gemeinsam mit Akil Holz gesammelt hatte, sich von ihm hatte zeigen lassen, wie man trockenes Gras und dünne Äste flocht, um damit die Sonne abzuschir- men, sprach sie es aus: »Ich laufe ihm ganz gewiss nicht nach.«
    Akil blickte kaum hoch. »Dies ist auch nicht der Grund, warum er gegangen ist«, stellte er fest.
    Caterina ließ ihre Hände sinken. Akil ließ nicht erkennen, was er davon hielt, dass zunächst Ray sich für Gaspare hatte eintauschen lassen und dass Letzterer nun offenbar Gleiches plante. Kurz wollte sich Caterina gegen seinen Gleichmut auflehnen. Doch er sah nicht aus wie einer, der ihr Leid mit ihr tragen würde. Er würde es fallen lassen und es hernach mit jenem Ausdruck von Bedauern und Machtlosigkeit mustern.
    Sie musste selbst damit fertig werden. Am Anfang verlegte sie sich darauf, dass vielleicht alles gut werden konnte, dass der Kerkermeister, gerührt über die Selbstlosigkeit, die nunmehr beide Männer aufbrachten, sie gemeinsam würde gehen lassen. Später stellte sie sich vor, dass zumindest eintreten würde, was gestern schon zu erwarten stand – dass Ray erschien, sich jener Freiheit erfreute, die sie ihm wütend zugestanden, auf die er verzichtet hatte und die nun Gaspare ihm schenkte. Das Warten rang ihr den Entschluss ab, ihn freudig zu begrüßen, ihm alles zu verzeihen, was er ihr angetan hatte, Hauptsache, er war bei ihr und sie nicht mehr allein mit einem Knaben. Immer sehnsüchtiger wurde ihr Harren und immer verzweifelter, als schließlich der Tag verglomm.
    »Was denkst du, ist geschehen?«, fragte Caterina Akil. Sie verzehrte sich nach einer Erklärung, die sie trösten würde. Doch Akil mochte viele Gaben haben, jedoch nicht die, die Wirklichkeit sonniger zu deuten, als sie war.
    Schulterzuckend gab er zurück: »Wenn weder der eine kommt noch der andere – was mag das anderes bedeuten, als dass der Kerkermeister, des Spiels überdrüssig, sie wieder beide eingeschlossen hat?«
    Caterina verneinte nicht und wollte zugleich auch nicht zu- stimmen. Nicht an diesem Abend, nicht in der Nacht, nicht am nächsten Morgen, und auch noch nicht am übernächsten. Dann erst gestand sie sich ein, dass sie längst nicht mehr hoffnungsvoll in Alerias Richtung starrte, sondern nur mehr stumpfsinnig vor sich hin, dass sie sich zu mutlos, zu schwach fühlte, um weiterzuflechten.
    »Was sollen wir nur tun, Akil?«, fragte sie schließlich.
    Wieder verstand er es nicht, irgendwelche Hoffnungen zu beleben. Ausgereizt schienen zudem sämtliche Versuche, die Gefangenen freizubekommen, und so deutete er ihre Frage denn nicht auf deren Geschick gerichtet, sondern auf das eigene.
    »Ich verstehe es, Schiffe zu bauen«, sagte er, »ich könnte hier jemandem meine Dienste anbieten. Ich würde etwas zu essen verdienen, vielleicht etwas Geld, und dann könnte ich vielleicht in meine Heimat zurückkehren – und du in die deine.«
    Er sprach so bestimmt, dass sie den Eindruck hatte, er habe diesen Plan schon längst geschmiedet – und wenn sie auch keinerlei Zuversicht verspürte, als er von der Heimat sprach, war sie doch froh, dass ihre eigene Mutlosigkeit nicht auf ihn übergeschwappt war. Sie nickte, sagte sich, dass sie dieses Niemandsland, wo sie die Tage absaßen, lieber früher als später verlassen sollten.
    »Am besten ist es wohl, wenn wir wieder nach

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